Sonntag, 21.04.2024 / 20:38 Uhr

Flüchtlingsdeal mit dem Libanon

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Bild: Thomas v. der Osten-Sacken

Auch wenn diese so genannten Flüchtlingsdeals mit Mittelmeeranrainerstaaten selbst vom EU-Parlament scharf kritisiert werden, steht der nächste an. Diesmal mit dem Libanon.

 

Bei einer Debatte über den vergangenes Jahr mit dem tunesischen Präsidenten abgeschlossenen Flüchtlingsdeal kommentierte eine niederländische Abgeordnete: “Throwing money at dictators is not migration policy.". Damit hat sie in etwa auf den Punkt gebracht, wobei es bei all diesen Abkommen geht: Sie bestehen aus wenig mehr als viel Geld, das Brüssel zahlt, damit, egal ob dies nun geltendes recht verletzt oder nicht, südliche oder östliche Mittelmeeranrainer ihre Grenzen für Flüchtlinge aus Drittstaaten dicht machen.

Dies scheint aus Sicht der EU umso dringlicher, ist ihr doch gerade mit einem großen Knall ihre Politik mit subsaharischen Staaten um die Ohren geflogen. Mit denen nämlich hatte man auch schon Abkommen ausgehandelt, um so die Transsahara-Route dicht zu machen.

Deal mit Niger gekündigt

Das neue prorussische Regime im Niger hatte erst kürzlich einseitig den entsprechenden Deal aufgekündigt und " ein Gesetz außer Kraft gesetzt hat, das die Schlepperei von Migrant:innen in dem westafrikanischen Staat verboten hatte. (...) 

Die Bestimmung war 2015 unter maßgeblichem Einfluss der EU zustande gekommen und sah bis zu 30-jährige Haftstrafen für Leute vor, die aus der Beförderung, Unterbringung oder Anstellung von Migrant:innen ein Geschäft machten. Als „Belohnung“ für die Verabschiedung des „Loi 36“ ließ die EU der nigrischen Regierung Hunderte Millionen von Euro zukommen. Unter anderem finanzierte Brüssel auch die Patrouillen, mit denen die Einhaltung der neuen Bestimmungen kontrolliert wurde."

Einer der Gründe für den Putsch war wohl auch dieses Gesetz, denn das Militär hatte zuvor bestens am Weitertransport von Flüchtlingen verdient und wollte seine alte Einnahmequelle wieder. Mit Flüchtlingen verdienen nämlich inzwischen nicht nur die Mafia, sondern allerhand staatliche und parastaatliche Akteure Millionen.

Da inzwischen nicht nur die Zahl von Menschen aus dem Libanon, der de facto inzwischen als failed state zu bezeichnen ist, auf dem Seeweg fliehen, sondern auf vermehrt Syrerinnen und Syrer, die so versuchen die Türkei zu umgehen, steht nun also der nächste Deal an. Und zwar mit dem Libanon, einem Land, das de facto keine funktionsfähige Regierung hat und aus dem systematisch syrische Flüchtlinge zurück in ihr Herkunftsland abgeschoben werden.

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Ketermaya Refugee Camp im Libanon, Bildquelle: Weltbank, Flickr

 

90% aller Syrer im Libanon leben unter dem Existenzminimum

Wie es um die Lebensbedingungen von Syrern im Libanon beschaffen ist, beschreibt dieses Hintergrundpapier des "Arab centers in Washington":

Ninety percent of Syrians in Lebanon live below the poverty level. There are some 3,100 private camps in Lebanon that suffer from desperate conditions, especially in winter. They are subject to expulsion, harassment, and arson. Eighty-three percent of refugees lack legal residency status, and it is difficult for many of them to obtain it because of the complicated nature of the process, especially if an individual has entered the country illegally. International legal organizations believe that Lebanese laws are designed to make refugees’ lives more difficult so that they return to Syria voluntarily, which is considered a violation of the rights of vulnerable and marginalized people. Lebanon’s General Security Service forces illegal refugees to leave, or hands them over to Syrian authorities. Those apprehended are barred from reentering Lebanon for one year after the first violation, five years after the second, and ten years after the third.

So viele Flüchtlinge wie noch nie auf Zypern

Das alles hindert die EU unter maßgeblicher Federführung von Ursula von der Leyen, nun einen Deal mit der libanesischen Regierung abzuschließen. Die geschieht auch, weil in Zypern inzwischen so viele Flüchtlinge ankommen, dass der Inselstaat inzwischen erklärt, nicht mehr in der Lage zu sein sie zu versorgen:

Seit Jahresbeginn sind auf Zypern mehr als 4000 Migranten und Flüchtlinge angekommen. Im ersten Quartal 2023 waren es dagegen nur 78 Menschen. Damit werden in der Inselrepublik gemessen an der Einwohnerzahl im EU-Vergleich bei Weitem die meisten Asylanträge gestellt. Zum Vergleich: 4000 Neuankünfte seit Januar entsprächen der Ankunft von rund 340.000 Menschen in Deutschland im selben Zeitraum.

Die Aufnahme- und Registrierlager auf Zypern sind überfüllt. Angesichts dieser Situation hatte die Regierung am 14. April die Bearbeitung von Asylanträgen von Menschen aus Syrien auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Syrer, die auf Zypern ankommen, müssen so lange in den Registrierlagern bleiben.