Die Abschottungspolitik der EU

»Die Sahara ist ein Friedhof«

Seite 4 – »20.000 Migranten in der Wüste gerettet«
Interview Von

 

Werden die Fahrer dann verhaftet?
Wir informieren nicht den Polizeipräsidenten, sondern den Bürgermeister der jeweiligen Ortschaft. Die sind Migration gegenüber positiv eingestellt, da ihre Gemeinden davon profitieren. Wir versuchen, dafür zu sorgen, dass die Reisenden in eine Ortschaft gebracht werden oder ihre Reise nach einer ­Reparatur fortsetzen können. Und wir tun alles dafür, dass die Fahrer davonkommen, ohne verhaftet zu werden.
Trotzdem hätten wir gerne eigene Rettungsfahrzeuge und Aufnahmezentren. Denn manchmal kontaktieren die lokalen Behörden die Internationale Organisation für Migration (IOM). Die profitiert davon und bringt die Migranten dann in ihre Heimatländer zurück. Wir wollen bei diesem Spiel nicht mitspielen. Unsere Politik lautet: Wir ­rufen nicht zu irregulärer Migration auf, aber wir halten die Menschen auch nicht davon ab, ihre Reise anzutreten.

Inwiefern »profitiert« die IOM davon, Menschen in ihre Herkunftsländer zurückzubringen?
In der Region Agadez ertrinkt die IOM geradezu in dem Geld, das sie von der EU und teils sogar von der UN erhält. Um dieses Geld auszugeben, muss sie Aktivitäten organisieren. Das ist auch der Grund, warum die IOM seit 2016 20.000 Migranten in der Wüste gerettet hat.

Das klingt nicht gerade verwerflich.
Allerdings wurde die Mehrheit dieser 20 000 Geretteten vorher von Algerien in die Wüste abgeschoben. Die algerischen Behörden setzen die Migranten einfach am algerischen Grenzort In Guezzam ab, 15 Kilometer vom nigrischen Grenzort Assamaka entfernt. Die Menschen machen sich daraufhin zu Fuß Richtung Niger auf – auch Frauen und Kinder. Die IOM schickt dann ihre Lastwagen los und sammelt die Menschen ein. Anschließend organisiert sie die Rückkehr der Migranten in ihre Heimatländer. Die algerischen Behörden machen sozusagen die Drecksarbeit und die IOM vollendet das Ganze.

Welche anderen Aktivitäten organisiert die IOM in Niger?
Die IOM macht in Niger auch viel Aufklärungsarbeit. Sie nennen das »informierte Migration«. Aber in Wirklichkeit ist das »informierte Migration nach Hause«. Sie versuchen, die Menschen davon abzubringen, sich auf den Weg zu machen. Sie sagen ihnen, dass sie sich auf dem Weg nach Libyen verirren oder eine Panne haben werden oder dass sie vergewaltigt oder sogar getötet werden könnten und raten ihnen, ihr Leben lieber nicht zu riskieren.