Das Für und Wider eines Verbots, exotische Tiere zu halten

Exotische Tierhalter und artgerechte Haltung

Bundeslandwirtschafts­minister Cem Özdemir hat angekündigt, die Haltung exotischer Haustiere einzuschränken, und fragt: »Warum braucht ­jemand etwa anspruchsvoll zu haltende, exotische Tiere wie Schlangen oder ein Chamäleon zu Hause?« Als Argument führt er überfüllte Tierheime an und kritisierte Spontankäufe. Tierschutzverbände unter­stützen den Vorstoß des Politikers, Forscher und Tierhalter kritisieren ihn als populistisch und schlagen einen Sachkundenachweis für Halter vor.
Disko Von

Heiko Wening: Exotische Tierhalter

Halter von exotischen Tieren sehen manchmal komisch aus, sie haben aber vor allem ein komisches Hobby, das so manchem nicht geheuer oder verständlich ist. Das Unbekannte löst Verbotsgelüste aus.

Wer braucht schon Schlangen, Kröten oder Leguane als Haustiere? Na, ich zum Beispiel! Und ich wüsste nicht, was das irgendjemanden anginge.

Es ist um ein Vielfaches anspruchsvoller, aufwendiger, kosten- und zeitintensiver, einen Hund artgerecht zu ver­­sorgen als eine Korn­­­natter.

Es fängt ja schon mal damit an, dass »Exot« überhaupt keine Kategorie ist. Einem Tier ist es nämlich egal, ob irgendwer es für einen Exoten hält oder nicht. Hingegen hat es Triebe, denen es nachgehen möchte. Das gilt für Hund und Schwein ebenso wie für Vogelspinne und Zebrafink. Wer glaubt, nur weil ein Tier domestiziert sei, wären seine Ansprüche leichter zu erfüllen, der weiß nichts von Tieren. Selbstverständlich ist es um ein Vielfaches anspruchsvoller, aufwendiger, kosten- und zeitintensiver, einen Hund artgerecht zu versorgen als, sagen wir, eine Kornnatter. Es gibt bei näherer Betrachtung überhaupt nur wenige Tiere, die so einfach artgerecht zu halten sind wie eine Kornnatter. Außer einer Vogelspinne vielleicht. Es ist nur landläufig weniger üblich, eine Kornnatter zu halten, mithin also: exotischer. Die Klage, Exoten würden die Tierheime in Mengen füllen, ist also vollkommen absurd. Die Tierheime sind nämlich auch so schon voll – mit Hunden und Katzen. Und sie sind deshalb nicht ­eingerichtet auf Exoten.

Aber was haben Exoten überhaupt in deutschen Haushalten zu suchen? Da schwingt die unangenehme Ablehnung von allem jenseits der Leitkultur schon in der Frage mit. Das Motto »Artgerecht ist nur die Freiheit« der Tierrechtsbewegten ist zudem nicht nur deshalb so traurig, weil es von Leuten geäußert wird, die erkennbar keinerlei Lust hätten, sich durch Wälder und Savannen zu schlagen, um mit schierer Muskelkraft irgendwelches Wild zu reißen, Wurzeln auszugraben oder in Höhlen zu nächtigen, wie es ihrer Art entspräche. Hätten Fische oder Echse das Vermögen zu reflektieren, kämen sie vielleicht auch einfach zu dem Schluss, es sei erheblich unangenehmer, mehrmals am Tag in Todesangst flüchten zu müssen, um dann lange vor Ablauf ­ihrer möglichen Lebenszeit bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden, als ­irgendwo in Vollpension ein gemütliches Leben zu führen. Quasi anstrengungsfreier Wohlstand. Stattdessen sollen sie gefälligst arbeiten gehen!

Um Tiere geht es bei der Diskussion aber ohnehin nur am Rand, das Exoten-Bashing ist eben immer auch ein Exotenhalter-Bashing. Was sind das bloß für Leute, die sich einfach so für ganz andere Dinge begeistern als man selbst? Die könnten ja auch Fußball gucken oder Pilates machen. Stattdessen wollen sie unbedingt Geckos pflegen. Die müssen doch einen Ego-Knacks ­haben. Und wie die oft aussehen! Tätowiert mitunter, manche sogar ohne ­Politologie- oder Soziologiestudium, und dann noch seltsame Tiere zu Hause – das muss natürlich verboten werden. Die eigenen Vorurteile kommen so als moraltriefende vermeintliche Tierliebe daher. Praktisch ist dabei, dass Tiere nicht dazwischenreden können.

Ja, viele Spezies sind in ihrem Bestand gefährdet. In der Regel durch Lebensraumzerstörung, Klimawandel, Umweltverschmutzung und Bejagung zur Gewinnung von Leder oder Fleisch. Die wenigen Arten, die tatsächlich durch das Absammeln für den Haustierhandel bedroht sind oder eine echte Gefahr darstellen, können effektiv über bestehende Negativlisten reguliert werden. Das könnte man konsequenter umsetzen, was aber nicht heißt, dass man Hunderttausenden Menschen die Haltung Tausender Arten verbieten muss.

Auf der anderen Seite: Ohne die Halter von Exoten würde sich hierzulande kaum jemand für solches Getier in­teressieren. Dutzende Arten existieren überhaupt nur noch, weil engagierte Aquarianer, Terrarianerinnen oder Vogelfreaks, auch private, sie mit viel Sachkenntnis, Liebe und Ausdauer züchten. Womit die Chance erhalten bleibt, sie später wieder in der Natur anzusiedeln. Wer sonst sollte all das Wissen über diese Arten sammeln, das zu ihrem Schutz dringend nötig ist? Wer würde eine Lobby für sie bilden? Die Katzenladys, Tierrechtlerinnen und ­Vegankämpfer etwa? Ganz sicher nicht. Denen sind solche Arten einfach viel zu exotisch.

 

Elke Wittich: Eine Frage der artgerechten Haltung

Die Gefahr, die von inkompetenten Tierbesitzern ausgeht, potenziert sich, wenn es sich dabei um giftige Tiere handelt. Kreuchen diese im Wohnhaus oder Nachbarsgarten herum, kann das unangenehm sein. Manchmal sind Verbote nur zum eigenen Besten oder dem der Mitmenschen; es gibt allerdings Bereiche, deren Regulierung drängender erscheint.

Verbieten, alles verbieten! Jedenfalls anderen. Und denen vor allem das, was ihnen Spaß macht.

Deppen und Deppinnen sollten keine giftigen Tiere halten dürfen, und wenn sie das nicht von selber einsehen, kann man es ihnen durchaus verbieten.

So ungefähr lassen sich die Zeiten zusammenfassen, die denen folgten, in denen (fast) alles ging, und das nicht etwa, weil (fast) alles erlaubt war, sondern weil sich das Recht genommen wurde, einfach das zu tun und vor allem auszuprobieren, was man wollte. Was bleibt ist die tief sitzende Abneigung gegen Verbote. Vor allem dann, wenn Verbieter und Verbieterinnen ganz zufällig immer das untersagen wollen, das in ihrem eigenen Lebensstil ohnehin nicht vorkommt oder zu dem ­ihrer Klientel nicht passt.

Natürlich gibt es sinnvolle Verbote und irgendjemand muss aufpassen, dass Leute keinen Unfug treiben, ist halt so. Außerdem beschneiden Verbote ja im Grunde die individuelle Freiheit kaum je wirklich, sondern meistens nur ein klitzekleines bisschen. Und: Sie sind in aller Regel zum Besten der Leute, auch wenn die das nicht sofort einsehen wollen, oder der Gesellschaft, oder wenigstens der eigenen Partei.

Konservativ geschätzt bringt es die eigene Twitter-Blase an einem durchschnittlichen Tag allein auf rund zehn ganz unterschiedliche Verbotsaufforderungen, an aufregenden Tagen sind es mindestens doppelt so viele. Das Drohen mit Untersagungen hat viele Vorteile, nicht nur weil beispielsweise Wähler und Wählerinnen den Eindruck bekommen, man sei sehr ernst zu nehmen. Auch regen sich die Betroffenen sehr auf, was immer schön ist, schließlich kann man sie ohnehin nicht ausstehen, und je näher sie einem Herzanfall kommen, desto besser. Und darüber hinaus generieren Verbotsforderungen viel Aufmerksamkeit. Schade nur, dass die Aufmerksamkeitsökonomie noch keine Währung hervorgebracht hat – wie wäre das schön, wenn man damit im Supermarkt bezahlen könnte. Vielleicht kommt das noch: Für 100 Re­tweets oder Facebook-Likes gibt es dann zum Beispiel ein Kilo Kartoffeln, zwei Liter Milch (auf Wunsch auch in den Versionen Soja oder Mandel), fünf Flaschen Bier sowie zwei neue Unterhosen.

Womit wir zu den exotischen Tieren kommen, deren Haltung Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir verbieten will. Und zwar allen, auch denjenigen, die sehr gut mit ihnen umgehen können und sie zum Beispiel nicht in zu engen, vollkommen ungeeigneten Terrarien und Aquarien halten. Klar, niemand kann ernsthaft wollen, dass der Depp oder die Deppin aus dem zweiten Stock irgendwelche potentiell tödlichen Viecher im Wohnzimmer hält, die ihm oder ihr zweifellos bei der ersten sich bietenden Gelegenheit weglaufen würden, oder wegkriechen, oder was immer giftige Tiere so machen. Denn dann verlustieren sie sich ungehemmt im Wohnhaus, oder wenn ­jemand die Eingangstür offen stehen lässt, in benachbarten Grünanlagen, und das ist immer sehr unschön, wie man aus den wenigen Berichten über solche Vorkommnisse weiß. Alles abgesperrt, alle in Angst, so geht es nicht.

Also: Deppen und Deppinnen sollten keine solchen Tiere halten dürfen, und wenn sie das nicht von selber einsehen, kann man es ihnen durchaus verbieten. Oder dafür sorgen, dass sie den sachgerechten Umgang erlernen, so schwer kann das ja nun nicht sein.

Wobei es eigentlich schon lange überfällig ist, eine Verbotsliste einzuführen, die nach dem Grad der Relevanz der Probleme sortiert ist. Die also vorsieht, sich zuerst mit den wirklich drängenden Problemen zu beschäftigen und dann absteigend nach und nach die kleineren anzugehen. Im vorliegenden Falle wäre es zuerst die Menschenhaltung, die durchaus Regulationen vertragen könnte. Menschen in viel zu kleine, renovierungsbedürftige, womöglich schimmelige, kalte Wohnungen zu sperren, gehört jedenfalls verboten. Und wenn alle Energie, alle Zeit, alle finanziellen Mittel, die dafür aufgewendet werden, irgendwelches unerhebliches Zeugs zu verbieten, statt dessen in den Neubau von großzügig geschnittenen, hellen, komfortablen, modernen Sozialwohnungen gesteckt würden, dann wäre die Welt auf jeden Fall ein gewaltiges Stück schöner. Das passiert aber nicht, vielleicht, weil die Wähler und Wählerinnen ohnehin schon in ­superschicken Lofts wohnen, vielleicht, weil dafür womöglich Bäume gefällt werden müssten, vielleicht, weil Bauen immer mit Lärm verbunden ist, vielleicht, weil es zu kompliziert ist. Komplizierter jedenfalls, als Tierhaltung zu verbieten, das geht zumindest theoretisch ratzfatz, und mehr muss dann auch nicht getan werden, außer gegebenenfalls den Depp oder die Deppin aus dem zweiten Stock zu verhaften.