Eine hochdosierte Ecstasy-Pille birgt Gefahren

Tödlicher Diamant

Medienberichten zufolge sind Jugendliche mutmaßlich am Konsum der Ecstasy-Pille »Blue Punisher« gestorben, die einen extrem hohen Wirkstoffgehalt aufweist. Auch auf dem Festival Fusion wurde ein Verkäufer mit der Pille erwischt.

Während des Fusion-Festivals im mecklenburgischen Lärz ging eine bemerkenswerte Nachricht über die Ticker. Ein Gast habe Mitarbeitern des Festivals einen Drogenverkäufer gemeldet. Diese hätten wiederum den Sicherheitsdienst beauftragt, den Dealer festzusetzen. Bei dem 29jährigen seien ­diverse Drogen, unter anderem 60 Ec­stasy-Pillen der Sorte »Blue Punisher«, und 10.000 Euro gefunden worden. Die Festivalverantwortlichen hätten ihn daraufhin an die Polizei übergeben.

Auf kaum einem anderen Technofestival sind so viele T-Shirts und Tattoos bei Gästen, aber auch bei Mitarbeitern zu sehen, die sich gegen die Polizei richten. Gleichzeitig war die Fusion ein Vorreiter beim Umgang mit Drogen auf dem Festivalgelände. So betreibt Eclipse, nach Selbstbeschreibung ein »Verein für akzeptierende Drogenarbeit«, eine psychedelische Ambulanz an prominenter Stelle auf dem Areal. An vielen Orten sind Informationen und Materialien zum Thema sicherer Konsum von illegalisierten Rauschmitteln zu bekommen.

Dass die Festivalbetreiber den Dealer dennoch an die Polizei ausgeliefert ­haben, dürfte am Fund der Blue-Punisher-Pillen liegen. Diese gelangten kurz vor der Fusion auch außerhalb der Raver-Szene zu trauriger Berühmtheit. 60 Kilometer von Lärz entfernt liegt das Dorf Altentreptow. Die Droge steht in Verdacht, dort den Tod einer 13jährigen verursacht zu haben. Bundesweit gibt es noch zwei weitere Todesfälle, bei denen ein Zusammenhang mit der ­Droge vermutet wird. Gemeinsam haben sie, dass die Verstorbenen noch sehr jung waren und die Drogen weder auf Festivals noch im Nachtleben konsumiert hatten.

Bundesweit gab es drei Todesfälle, bei denen ein Zusammenhang mit der Blue-Punisher-Pille vermutet wird.

Mindestens seit zwei bis drei Jahre zirkulieren die Blue-Punisher-Pillen bereits, teilten verschiedene Kenner des Berliner Nachtlebens der Jungle World mit. Es habe sie schon vor der Covid-19-Pandemie gegeben. Einer meinte, dass die Pillen bereits seit vier bis fünf Jahren auf dem Markt seien, und ­verwies auf den Start der Netflix-Serie »Marvel’s The Punisher« im Jahr 2017. Die Form der Pille ähnelt einem Diamanten mit ein­graviertem Totenkopf, der an das Logo des Charakters »The Punisher« aus den ­bekannten Marvel-Comics angelehnt ist.

Diese Beobachtungen ­decken sich mit dem Kenntnisstand von mit Drogen befassten Wissenschaftlern. Torsten Binscheck-Domaß vom Labor Berlin der Charité berichtete im »Frühstücksfernsehen« des Senders Sat 1, dass die Blue-Punisher-Pillen nach seinen Informationen seit fünf Jahren im Umlauf seien. Exakte Zahlen zur Verbreitung der Pille könne er jedoch nicht geben, da es sich um ein illegales Produkt handelt. Blue-Punisher-Pillen hätten einen sehr hohen Wirkstoffgehalt. Binscheck-Domaß sagte zwar, dass sie eher selten gehandelt würden, doch seien sie »eine reale Gefahr«.

Unter anderem gegen diese Gefahr soll in Berlin nun das lang erwartete Kooperationsprojekt verschiedener Drogenhilfen die Arbeit aufnehmen: Drugchecking Berlin. Es geht auf einen Beschluss der rot-rot-grünen Koalition zurück, die sich nach den Berliner Abgeordnetenhauswahlen 2016 gebildet hatte. »Obwohl das Vorhaben im Koalitionsvertrag stand, hatte es in der Verwaltung nicht höchste Priorität. Es war nötig, immer wieder Druck zu machen«, sagte der drogenpolitische Sprecher der Linkspartei-Fraktion im Ber­liner Abgeordnetenhaus, Niklas Schrader, der Jungle World. Die Maßnahme habe trotz des vorliegenden Beschlusses sechs Jahre auf sich warten lassen.

Beim sogenannten Drugchecking kann man in Berlin fortan kostenlos, anonym und legal in drei Beratungs­stellen seine Drogen testen lassen.

Beim sogenannten Drugchecking kann man in Berlin fortan kostenlos, anonym und legal in drei Beratungs­stellen seine Drogen testen lassen. Nach Angaben der Berliner Gesundheitsverwaltung erfolgt die Analyse der Proben im Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin. Das Ergebnis werde dann wieder an die Beratungsstellen vermittelt, wo die Nutzer das Ergebnis circa drei Tage nach Abgabe der Proben telefonisch oder persönlich abfragen können.

In den ersten Woche der Eröffnung sei die Anfrage so groß gewesen, dass nicht alle Interessenten bedient werden konnten, sagte Tibor Harrach, pharmazeutischer Koordinator von Drugchecking Berlin, der Jungle World. Ein Drittel der analysierten Substanzen sei auffällig gewesen. Darunter seien etwa falsch deklarierte Ketaminkris­talle gewesen, die als MDMA, Kokain oder Amphetamin erworben worden seien. Andere seien mit gesundheitsschädlichen Substanzen verunreinigt worden. In Kokain sei beispielsweise mitunter Tetramisol oder Procain gefunden worden. In vier Blue-Punisher-Tabletten seien Syntheseverunreinigungen nachgewiesen worden, »deren Wirkungen und Nebenwirkungen ­völlig unklar sind«, so Harrach.

Dem Mädchen aus der ostdeutschen Provinz hätten Harrach und sein Team nicht helfen können. Ihr Angebot gilt nur für Erwachsene. »Wir mussten bisher drei Minderjährige beim Drug­checking abweisen«, sagte Harrach. Eine Forderung des Vereins »Akzept e. V. – Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit« ist es daher, allen anonymes Drugchecking zugänglich zu machen. Zudem fordert der Verein, »postversandgestützte Drugchecking-Angebote, gekoppelt mit Videoberatung, möglich« zu machen, um auch Menschen abseits von Festivals und außerhalb der Großstädte zu erreichen.