Weitere mutmaßliche Mitglieder der »Vereinten Patrioten« wurden festgenommen

Klopf, klopf, die Polizei ist da

Erneut wurden mutmaßliche Mitglieder der Reichsbürger-Gruppe »Vereinte Patrioten« festgenommen. Gegen fünf von ihnen läuft bereits ein Prozess.

Weiterhin finden bundesweit Razzien gegen sogenannte Reichsbürger statt. Am 29. November hat die Polizei einen 66jährigen Mann im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt festgenommen. Er steht unter Verdacht, Mitglied der »Vereinten Patrioten« zu sein, einer Reichsbürgergruppe, die unter anderem die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben soll und nach Ansicht der Staatsanwaltschaft dabei in Kauf genommen hätte, dessen Personenschützer zu töten.

Der Festgenommene sei über die Absichten der Gruppe informiert gewesen und habe an deren Treffen teilgenommen, so die Ermittler. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt ihn zudem, im Oktober 2023 einen Revolver mitsamt Munition besessen zu haben.

Nach dieser und vorherigen Festnahmen bei Razzien Anfang Oktober sind inzwischen elf mutmaßliche Mitglieder der Gruppe festgenommen worden. Seit Mai läuft bereits ein Prozess gegen fünf Beschuldigte beim Oberlandesgericht Koblenz. Ziel der Vereinten Pa­trioten war es der Generalbundesanwaltschaft zufolge, »bürgerkriegsähnliche Zustände« auszulösen und so »den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen«.
Die Details des mutmaßlichen Plans der Gruppe, wie er sich aus Mitteilungen der Ermittlungsbehörden rekons­truieren lässt, klingen ausgesprochen kurios.

Durch die Entführung Lauterbachs und das Herbeiführen eines Stromausfalls sollte Chaos gestiftet werden. Dann sollte ein Schauspieler, verkleidet als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), in einem Fernsehstudio live den Rücktritt der Bundesregierung verkünden und die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des 1871 gegründeten Deutschen Reichs verkünden.

In einer Pressemitteilung des LKA Hessen bei der Festnahme eines weiteren mutmaßlichen Mitglieds im Kreis Bergstraße Mitte Oktober hieß es, Höhepunkt des geplanten Putschs hätte offenbar ein Ausflug nach Russland sein sollen. Die Gruppe habe geplant, »nach dem Umsturz mit einem Schiff über die Ostsee in russische Küstengewässer« zu fahren und mit staatlichen russischen Stellen über einen »Schulterschluss« zu verhandeln sowie militärische Ausrüstung zu beschaffen.

Die Staatsanwaltschaft verdächtigt einen 66jährigen, im Oktober 2023 einen Revolver mitsamt Munition besessen zu haben.

Doch die Kuriosität der Gruppe sollte nicht über ihre Gefährlichkeit hinwegtäuschen. Bei den Razzien wurden etliche Schusswaffen und Munition gefunden. Thomas O., der seit Mai in Koblenz vor dem Oberlandesgericht steht, hatte sich nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft zum Beispiel zwei Sturmgewehre des Typs AK-47 sowie vier Kurzwaffen der Marke Glock mitsamt Munition besorgt. Bei einem im Oktober festgenommenen 61jährigen aus Südhessen wurden der FAZ zufolge unter anderem eine Armbrust und eine Luftdruckwaffe gefunden. ­Er habe der Gruppe zudem seine Garage als Zwischenlager für Waffen angeboten. Ein Beschuldigter aus dem bayerischen Wolfratshausen habe sich bereiterklärt, an der geplanten Entführung Lauterbachs teilzunehmen und dafür Schusswaffen aus Kroatien zu besorgen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft München mit.

Der SWR berichtete von einem 52jährigen Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes aus dem Kreis Trier-Saarburg (Rheinland-Pfalz). Der Mann sei festgenommen worden, weil er unter anderem Hochspannungsleitungen ausgekundschaftet haben soll. Der Anklage zufolge planten die Vereinten Patrioten einen bundesweiten Stromausfall, um Chaos auszulösen und Informationswege zu zerstören.

Außerdem wurden bei den bundesweiten Razzien Gold- und Silbermünzen im Wert von 12.000 Euro gefunden. Einer der in Koblenz Angeklagten, Sven B., behauptet, der Finanzbuchhalter David W. habe ihm bei einem Treffen am 9. April 2022 in Falkensee die Gold- und Silbermünzen übergeben. Nach Angaben des Gerichts befindet sich W. im Ausland; seinem Instagram-Profil zufolge in Dubai. Schon vor Monaten hieß es seitens der Generalbundesanwaltschaft, das Verfahren gegen W. solle »abgetrennt« werden, da sich dieser im Ausland befinde.

Als Zeuge hat in Koblenz zudem der »Querdenken«-Aktivist Markus Lowien ausgesagt. Er hatte im Winter 2020 zu einer Aktion mit dem kuriosen Namen »D-Day 2.0« aufgerufen, bei der Verkehrsknotenpunkte beispielsweise auf Autobahnen durch langsames Fahren lahmgelegt werden sollten, um Chaos auf den Hauptverkehrsachsen zu stiften. Das Unterfangen misslang.

Ende Juli sind T-Online zufolge überraschend Zeugenaussagen von Lowien aufgetaucht, die dem Gericht und der Verteidigung vorgelegt wurden. Demnach könnte seine Rolle womöglich weit über die eines Zeugen hinausgehen. Ab Ende 2021 hätten die Vereinten Patrioten bei mehreren Treffen ihre Pläne konkretisiert, wie die Regierung gestürzt werden könnte. Lowien soll an den wichtigsten Treffen teilgenommen haben.

Nach Angaben einer Gerichtssprecherin wird der Prozess gegen die Vereinten Patrioten noch auf unbestimmte Zeit fortgeführt. Auf Anfrage der Jungle World teilte sie mit, dass sie mit mehreren Monaten rechne.