Die Berlinale ehrt die falschen Filme und endet mit einem Eklat

Ende mit Schrecken

Popkolumne. Man musste entweder rauchen oder kotzen. So war die Berlinale.
Die Summens Von

»Stop smoking, you must be joking« singt der 1986 gestorbene Brion Gysin auf seinem wiederveröffentlichten Album »Junk«. Herrlicher Avantgarde-Funk, den Gysin wenige Jahre vor seinem Tod mit dem Produzenten Ramuntcho Matta aufgenommen hatte. Gysin gilt bekanntlich zusammen mit seinem Wegbegleiter William S. Burroughs als Erfinder der Cut-Up-Methode. Tolle Platte.

Vom No Wave schalten wir direkt in die Raucherecke der Berlinale! Im Wettbewerbsfilm »A Traveller’s Needs« hat Isabelle Huppert ununterbrochen gepafft. Schöner Kommentar von Hong Sang-soo zu seiner filmischen Fingerübung, für die er den Silbernen Bären erhielt: »Ich weiß nicht, was sie in dem Film gesehen haben.«

Als eine Journalistin fragte, warum Stangenbergs Figur in einer Szene die Philharmonie vollkotzt, antwortet Lilith Stangenberg trocken, dass »diese repräsentative bürgerliche Kultur auch ein Raum ist, der einem die Luft abschnüren kann«. Ihr, also Stangenberg, sei das nicht so fremd wie der Journalistin – touché.

Zweiter Platz in Sachen smoking: Lilith Stangenberg. Sie spielt die rauschaffine Tochter einer dysfunktionalen Familie in Matthias Glasners – unverständlicherweise nur mit dem Drehbuchpreis ausgezeichneten – Dreistundendrama »Sterben«. Als eine Journalistin verstört auf der Pressekonferenz fragte, warum um Himmels willen Stangenbergs Figur in einer Szene die Philharmonie vollkotzt, antwortet sie trocken, dass »diese repräsentative bürgerliche Kultur auch ein Raum ist, der einem die Luft abschnüren kann«. Ihr, also Stangenberg, sei das nicht so fremd wie der Journalistin – touché.

Die Kolleg:innen sind immer für eine Überraschung gut: Ein junger Journalist fühlte sich gar berufen, Martin Scorsese eine Szene aus »Departed« vorzuspielen. Vielleicht hofft er bei dem nächsten Film des mit dem Ehrenbären ausgezeichneten Regisseurs eine Rolle zu ergattern? Thema soll sein: Jesus.

Apropos: Der Heiland kann der tiefgläubigen Agnes in »Des Teufels Bad« so gar nicht helfen. Nicht nur die Abschlachtung eines Jungen in dem düsteren Psychodrama verstörte so einige. Dafür gab’s den Kamerapreis. Bei dem mit dem Regiebären ausgezeichneten Film »Pepe« über Pablo Escobars entlaufenes Nilpferd verstand man nur Bahnhof – das großartige und vielbejubelte Drama »My Favourite Cake« aus dem Iran, der das Filmteam nicht außer Landes lässt, ging dagegen leer aus.

Dafür gab es den Goldenen Bären für eine sprechende Raubkunst-Statue (»Dahomey«), den Großen Preis der Jury für eine alberne SF-Parodie (»L’Empire«) und zur Krönung den unsäglichen Kufiya-Auftritt der Macher:innen von »Direct Action« samt beschämender Solidarisierung mit den Feinden Israels. Wir versuchen, dennoch wieder mit dem Rauchen aufzuhören.