Sonntag, 26.02.2023 / 21:52 Uhr

Israel: 'Eine rechtsradikale revolutionäre Bewegung'

Nathan Sznaider, Bildquelle: Wikimedia Commons

Die taz hat mit dem israelischen Soziologen ein sehr lesenswertes und erhellendes Interview geführt, in dem er erklärt, wie es zur aktuelle Lage kam und wie sie einzuschätzen ist. Hier ein Auszug:

 

Sie sagen lebensweltlich sind die Menschen so weit auseinander. Ist das auch eine Klassenfrage?

Das hängt miteinander zusammen. Die Demonstrierenden sind eher europäisch geprägt und kommen aus der Mittel- und Oberschicht. Sie sind meist säkular und orientieren sich an kosmopolitischen und universellen Kategorien, sind Träger des kulturellen Kapitals und des Finanzkapitals. Auch die Wirtschaftselite beteiligt sich an dem Protest, die sind ja keine linken Anarchisten, so wie es von der anderen Seite dargestellt wird, sondern, wenn man so will, das Establishment. Und sie haben Angst vor den revolutionären, fast schon anarchistischen Kräften der rechten Seite. So gesehen ist diese Protestbewegung, zu der ich auch gehöre, eine eher konservative Bewegung.

Heißt das, der nationalkonservative Likud Netanjahus und seine rechtsextremen Koalitionspartner können sich nun als die progressiven Kräfte darstellen?

Das machen sie sogar! In der Knesset sagte ein Parlamentarier des Likud, er habe die Demonstration gesehen und es sei ihm fast schwindelig geworden von den ganzen Rolexen, die er da gesehen hätte. Das wurde dann von einigen als politische Poetik verteidigt. Er wollte sagen, wir sind das wahre, authentische Israel. Wir sind die, die von den Eliten unterdrückt und diskriminiert wurden, wir sind die orientalische Bevölkerung. Das heißt also, diese rechtsradikale revolutionäre Bewegung benutzt Argumente, die, das ist fast ironisch, von der kritischen Soziologie in diesem Land vor 20 Jahren als eine linke Position unterrichtet worden sind.