Der Verfassungsschutz hat die Akte über den NS-Verbrecher Alois Brunner ­freigegeben, vollständig ist sie wohl nicht

Geschwärzte Aktenzeichen

Der NS-Verbrecher Alois Brunner betätigte sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Waffenhändler und Geheimdienstberater in Syrien. Jahrelang verweigerte der Verfassungsschutz die Herausgabe der Akte. Jetzt steht sie für jeden einsehbar im Internet, doch vollständig ist sie wohl nicht.
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Es schien der Abschluss einer langen Auseinandersetzung mit dem bundesdeutschen Inlandsgeheimdienst zu sein: Ende Juni stellte die Plattform »Frag den Staat« die Verfassungsschutzakte über den lange Zeit meistgesuchten NS-Verbrecher Alois Brunner ins Internet. Die Betreiber der Plattform haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Herausgabe brisanter Akten zu beantragen, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Bild-Zeitung erhielt die Akte schon 2020, nachdem sie jahrelang gegen den Verfassungsschutz prozessiert hatte. Ein Vergleich der jetzt veröffentlichten Akte mit jener, die die Bild-Zeitung erhielt, deutet jedoch darauf hin, dass der Verfassungsschutz Berichte zurückhält.

Über ein Jahr musste Hans-Wilhelm Saure warten, bis er auch nur eine Antwort des Verfassungsschutzes erhielt. Der Chefreporter von Bild hatte im Februar 2012 einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Im April 2013 schrieb ihm der Geheimdienst schließlich, dass »zu der angefragten Person, Alois Brunner, die Voraussetzungen einer Einsichtnahme« nach Bundesarchivgesetz nicht erfüllt seien. Gemäß diesem Gesetz müssen Akten 30 Jahre nach ihrer Entstehung zur Verfügung gestellt werden.

Als die Bild-Zeitung klagte, teilte der Verfassungsschutz dem Gericht mit: »Die Beklagte verfügt nicht über Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind.« Hans-Wilhelm Saure ist immer noch verärgert, als er mit der Jungle World spricht: »Die dachten, sie könnten Journalisten an der Nase herumführen.« Denn es gab viele Indizien, dass deutsche Geheimdienste schon früh Informationen über den Aufenthaltsort des flüchtigen Massenmörders hatten. 1960 hatte die Bundesregierung eine Anfrage an Syrien gerichtet und die Antwort erhalten, es lebe dort kein Alois Brunner alias Georg Fischer, wie Brunner sich in Syrien nannte. 1961 wurde ein Briefbombenanschlag auf Brunner in Damaskus verübt, der dem israelischen Geheimdienst Mossad zugeschrieben wurde.

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