In Sachsen-Anhalt nähern sich die verschiedenen Milieus der extremen Rechten an

Ein großer rechtsextremer Brei

»Querdenker«, AfD, sogenannte Friedensdemonstranten und sogar Islamisten: Die Grenzen zwischen den extrem rechten Milieus verschwimmen. Das zeigt ein Blick nach Sachsen-Anhalt.

Es gab reichlich Musikeinlagen beim »Tag der Wahrheit« in Magdeburg, oft von zweifelhafter Qualität. Das Publikum dürfte freilich sowieso eher wegen der politischen Botschaften gekommen sein. So wurden in einem Lied die Anschläge vom 11. September 2001 als »Hoax« bezeichnet. Bei der »über­parteilichen Kundgebung« versammelten sich Mitte September rund 2.000 Menschen.

Tatsächlich war die Versammlung bunt gemischt. Unter dem Motto »Deutschland steht auf! Neustart Demokratie« demonstrierten »Quer­denker«, Verschwörungsgläubige, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten zusammen. Auf Schildern und Fahnen waren Slogans wie »Gesund ohne Zwang«, »Politiker müssen haften« oder »Stoppt den Krieg gegen das eigene Volk« zu lesen. In den Redebeiträge wurde von »globalen Eliten« geraunt, die für die Zerstörung partiku­larer Identitäten verantwortlich seien. Dagegen wolle man sich aus »gesundem Menschenverstand« und mit konservativen Werten wie Arbeit, Tradition und Familie zur Wehr setzen.

AfD als parlamentarischer Arm der verschwörungsgläubigen Szene
»Wenn wir irgendwann hier in Regierungsverantwortung kommen, machen wir Politik aus dem Volk, für das Volk, und nicht aus dem System, für das System«, sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende im sachsen-anhaltischen Landtag, Oliver Kirchner, in seiner Rede. Zugegen war auch ein Bundesvorstandsmitglied der AfD, die Bundestagsabgeordnete Christina Baum. Sie rief die Teilnehmer dazu auf, bei der nächsten Wahl ihre Partei zu wählen. Das Online-Portal Endstation rechts resümierte, dass sich die AfD auf der Kundgebung zum »parlamentarischen Arm« der verschwörungsgläubigen Szene erklärt habe.

Darum bemüht sich die AfD schon länger. Das Online-Medium LSA-rechtsaußen beschrieb kürzlich, wie die Partei in Sachsen-Anhalt versuchte, von der »Querdenken«-Bewegung und später von Protesten gegen steigende Energiepreise und die Ukraine-Politik der Bundesregierung zu profitieren. »Im Zuge der Corona- und Energieproteste« hätte die AfD mit »einer ganzen Reihe von Mobilisierungsformaten« experimentiert. Weil Demonstrationen »unter Partei-Label oft nicht den gewünschten Anschluss an die Protestmilieus fanden«, habe die AfD entsprechende Demonstrationen ohne klaren Parteibezug organisiert. Zum Beispiel habe sie in Magdeburg im vergangenen Jahr mehrere Tausend Menschen für eine Demonstration unter dem Motto »Preisexplosion stoppen« versammeln können.

LSA-rechtsaußen zufolge »verschmelzen« die verschiedenen rechtsextremen Milieus in Sachsen-Anhalt immer mehr. Das antifaschistische Kollektiv »IfS Dichtmachen« sagte der Jungle World, die Beziehungen zwischen der AfD und der »Querdenken«-Bewegung seien in dem Bundesland inzwischen recht eng. Das habe sich zum Beispiel im vergangenen Jahr auf dem Sommerfest des von Götz Kubitschek gegründeten Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda (ebenfalls Sachsen-Anhalt) gezeigt. Dort diskutierte Anselm Lenz, Chefredakteur und Mitgründer der »Querdenker«-Zeitschrift Demokratischer Widerstand, auf einem Podium mit dem Fraktionsvorsitzenden der AfD im brandenburgischen Landtag, Hans-Christoph Berndt. Bei der Winterakademie 2023 des IfS war Lenz erneut zu Gast. Er besprach dort unter anderem mit Kubitschek das »Konspirationistische Manifest« des »Unsichtbaren Komitees«.

Das manche Muslime »AfD-affin« seien, habe er zuerst »während der Coronamaßnahmen« wahr­genommen, sagt Hans-Thomas Tillschneider (AfD).

Der stellvertretende Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, organisierte im Saalekreis sogenannte Montagsdemonstrationen. »IfS dichtmachen« zufolge waren diese »klar an Querdenker-Formate angelehnt«. Tillschneider behandelte dort einen bunten Strauß an Themen. Vor allem ging es aber darum, dass die Energie- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und ihre Haltung zum Krieg in der Ukraine Deutschland in den Abgrund führe. In einer Rede am 20. Fe­bruar auf einer als »Friedensdemons­tration« beworbenen Veranstaltung in Magdeburg behauptete Tillschneider, dass »die Bundesregierung dem eigenen Volk den Krieg erklärt« habe. Dies wolle man sich »nicht bieten« lassen. »Wenn wir eine Regierung haben, die gegen uns Krieg führt, dann führen wir Krieg gegen diese Regierung.«

Der 45jährige Tillschneider gelte in Sachsen-Anhalt als »einer der besonders rechten Akteure innerhalb der AfD«, sagt das Kollektiv »IfS dichtmachen«. Bei Veranstaltungen des IfS sei er regelmäßig Referent und »tritt aktiv für ein Bündnis zwischen außerparlamentarischen und parlamentarischen Rechtsextremisten ein«.

Machtkampf in der völkischen Strömung
Tillschneider hat die Kampagne »Ein Prozent« mitgegründet, die als eine Art rechtsextreme NGO für Kam­pagnen und Proteste konzipiert ist. Außerdem war er ein wichtiger Vertreter des »Flügels«, eines inzwischen offiziell aufgelösten völkischen Netzwerks in der AfD. In den vergangenen Jahren ist es ihm gelungen, mit dem »Preußenfest« eine jährliche Veranstaltung zu etablieren, auf der sich dasselbe Milieu trifft. Das Treffen fand am Tag vor der Demonstration in Magdeburg vor zwei Wochen zum dritten Mal in Schnellroda statt. Redner waren neben Tillschneider vor allem Parteimitglieder aus Sachsen und Brandenburg, unter anderem der Spitzenkandidat der AfD für die kommende Europawahl, Maximilian Krah.

Es fehlte allerdings eine wichtige Führungsfigur des »Flügels«: der thüringische AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke. Der hatte kurz zuvor abgesagt. »Wir können Preußen nicht auf einer Veranstaltung eines Mannes feiern, der Preußen nicht lebt«, habe Höcke die Entscheidung intern begründet, berichtete die Welt. Hintergrund ist ein Machtkampf in der völkischen Strömung der AfD. Beim zurückliegenden Bundesparteitag hatte Tillschneider offenbar bei der Aufstellung der Europawahlliste nicht mit Höcke kooperiert. Der sah seine Führungsrolle unterminiert und brach deshalb mit Tillschneider.

Dabei ist Tillschneider inhaltlich größtenteils auf einer Linie mit Höcke. Zuletzt hat er sich besonders mit Sympathie für den russischen Präsidenten Wladimir Putin hervorgetan; im September 2022 reiste er sogar nach Russland. Dafür erhielt er einen Rüffel der Bundesparteiführung, weshalb er eine geplante Weiterreise in die besetzten Gebiete in der Ostukraine im letzten Moment absagte. Mitte August reiste Tillschneider erneut nach Russland, zur elften »Moskauer Sicherheitskonferenz« nach Sankt-Petersburg. In den sozialen Medien drückte er seine Begeisterung aus: »Glanz, Ordnung, Wohlstand und Sauberkeit: Das ist Rußland 2023!« war das Video überschrieben.

Kürzlich war Tillschneider bei der islamistischen Youtube-Sendung »­Actuarium« zu Gast. Dort vertrat er die Ansicht, dass die pauschale »Islamkritik«, wie sie früher in der AfD ­vertreten worden sei, eine »Islamkritik der Globalisten« gewesen sei – dagegen habe er sich schon immer eingesetzt. Dass manche Muslime »AfD-­affin« seien, habe er zuerst »während der Coronamaßnahmen« wahrgenommen. Es müsse jedoch ein »deutscher Islam« geschaffen werden, der nicht mehr die »deutsche Kulturhoheit« bedrohe. Dann sei auch eine »Remigration« nur noch teilweise notwendig.