Auszug aus »Pogrom im Scheunenviertel. Antisemitismus in der Weimarer Republik und die Berliner Ausschreitungen 1923«

Das Pogrom im Scheunenviertel und die Vorgeschichte

In den Straßen nördlich des Berliner Alexanderplatzes, im sogenannten Scheunenviertel, fand im November 1923 ein Pogrom gegen die ­jüdische Bevölkerung statt. Vor allem in der Grenadierstraße konnte der Mob ungestört wüten. Eine unrühmliche Rolle spielte dabei die Polizei, die die Ausschreitungen zum Teil unterstützte. Die sogenannte »Ostjudendebatte« bereitete dem antisemitischen Pogrom den Boden.
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Die Haltung führender Sozialdemokraten zu den »Ostjuden«

Warum sich die Gedächtnisprotokolle der Opfer zum Scheunenviertel­pogrom vom 5. und 6. November 1923 statt in den Gerichtsakten im Privatnachlass Carl Severings (1875–1952), des damaligen preußischen Innen­ministers, befinden, ist nicht bekannt. Die darin geschilderten Vorgänge beeinflussten seine Arbeit jedoch offensichtlich nicht. Trude Maurer ­berichtet in ihrer Dissertation »Ostjuden in Deutschland 1918–1933« ­davon, dass am Abend des 5. Novembers ein Journalist der Zeitung Welt am Montag, vermutlich der jüdische Dichter Salomon Dembitzer, bei ­Severing anrief und ihn telefonisch vom Stand der Dinge unterrichtete. Anscheinend war der Innenminister bis zu diesem Zeitpunkt – die Ausschreitungen tobten seit dem Mittag – nicht von den Vorgängen im Scheunenviertel in Kenntnis gesetzt worden. Severing versprach dem Anrufer sofortige energische Maßnahmen. Erst danach, »binnen noch nicht einer Stunde«, habe die Polizei rasch und ohne Zwischenfälle die Straßen geräumt.

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