Avgi Saketopoulous Buch »Sexuality Beyond Consent« widmet sich des Themas Konsens und der Grenzerfahrung beim Subjekt

Die Möglichkeit des Unkalkulierbaren

Die Psychoanalytikerin Avgi Saketopoulou hat mit »Sexuality Beyond Consent« ein Buch über das vieldiskutierte Thema Konsens geschrieben. In ihm preist und verspricht sie nicht einfach Sicherheit, sondern fragt psychoanalytisch, was eine Grenzerfahrung beim Subjekt ausrichten kann.

»Stopp« und »nein« zu sagen, gilt als anständige und integre Verhaltensweise, stellt es doch scheinbar zweifelsfrei heraus, was im Kontakt zu Mitmenschen als nicht mehr behaglich, sondern störend empfunden wird. Kindern und Jugendlichen versucht man daher in der Pädagogik, spielerisch beizubringen, wie man Grenzen setzt und achtet. Im Zuge der Covid-19-Pandemie konnte man bei Erwachsenen beobachten, wie soziales Benehmen, das andere auf Abstand und Unerwünschtes von sich fernhält, einen nahezu zeremoniellen Charakter annahm.

Aber nicht nur beim Gesundheitsschutz oder der Gewaltprävention spielen Erwägungen eine Rolle, die Grenzen ziehen und wahren sollen; sie gewinnen selbst im Umgang mit ästhetischen Erfahrungen eine ­größere Bedeutung. Kaum ein Monat vergeht ohne teils hitzige De­batten darüber, ob und inwiefern ein Kunstwerk, ein Wort oder ein Kleidungsstück der Öffentlichkeit und bestimmten Minderheiten zumutbar ist. Auch in persönlichen Beziehungen und im alltäglichen Kontakt gilt der Bewertung von Blicken, Gesten und Berührungen eine deutlich gesteigerte Aufmerksamkeit. Bei alledem soll der Überfluss eher vermieden und mögliches Unheil ausgeschlossen werden. Auch dass sich traumasensible Konzepte wie das des Triggers verbreiten, gehört zu dieser Entwicklung. Trauma erscheint in diesem Sinne als etwas, das Vorsicht und Zurückhaltung erfordert. Schonung gilt per se als heilsam.

Aber was, wenn man die Bedeutung von Überflutung und Konfrontation einmal andersherum betrachtete? Ist es neben dem sinnvollen Bemühen, gewalttätige Handlungen zu verhindern, möglich, Überwältigung nicht nur als potentiell schädigende Erfahrung zu begreifen, sondern auch als eine, die zwar nicht immer nur angenehm, aber dennoch hier und da erstrebenswert ist?

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