Die chinesische Top-Managerin Qu Jing im Porträt

Qu Jing versus »tang ping«

Die Topmanagerin Qu Jing hat in China unfreiwllig eine Debatte über toxische Arbeitsbedingungen ausgelöst.
Porträt Von

Braucht man die Viertagewoche? Oder ist die Generation Z doch nur faul? Debatten über die Arbeitsmentalität gibt es nicht nur im Westen. Auch der chinesische Arbeitsmarkt trifft inmitten von Krisen und bei hoher Jugendarbeitslosigkeit auf die Frustration der Jüngeren. Die Topmanagerin Qu Jing im Bereich Public Relations des Technologieriesen Baidu hat sich über diese echauffiert und verlor ihren Arbeitsplatz.

Qu war die Karriereleiter rasch nach oben geklettert: Sie arbeitete als Reporterin für Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, bevor sie zur PR-Abteilung von Huawei wechselte. Der IT-Gigant ist für seine harsche innerbetriebliche »Wolfskultur« bekannt. 2021 brachte Qu diesen Kodex mit zu Baidu. Innerhalb weniger Monate hätten etwa 60 Prozent der Belegschaft gekündigt, berichtete eine ehemalige Mitarbeiterin bei CNN.

»Warum sollte ich auf die Familie meiner Mitarbeiterin Rücksicht nehmen? Ich bin nicht ihre Schwiegermutter«, sagte Qu. Schließlich sei ihre Karriere es ihr auch wert gewesen, den Geburtstag ihres ältesten Sohnes zu vergessen.

Hätte Qu Jing über ihre Praktiken nach außen Schweigen bewahrt, wäre wohl nichts passiert. Doch sie veröffentlichte sie vorvergangene Woche auf Douyin, Chinas Version von Tiktok: So berichtete sie, wie sie eine Mitarbeiterin zusammengefaltet habe, die sich weigerte, während der Covid-19-Pandemie eine 50tägige Geschäftsreise zu unternehmen. »Warum sollte ich auf die Familie meiner Mitarbeiterin Rücksicht nehmen? Ich bin nicht ihre Schwiegermutter«, sagte Qu. Schließlich sei ihre Karriere es ihr auch wert gewesen, den Geburtstag ihres ältesten Sohnes zu vergessen.

Und dar­an sollten sich ihre Mitarbeiter orientieren: »Wenn Sie in der Öffentlichkeitsarbeit arbeiten, erwarten Sie keine freien Wochenenden«, sagte sie in einem anderen Video. »Halten Sie Ihr Telefon 24 Stunden am Tag eingeschaltet und seien Sie immer bereit zu antworten.« Die Clips trendeten bald auf Douyin und Weibo, Chinas X-ähnlicher Plattform. Insbesondere junge Menschen kritisierte Qu dafür, toxische Arbeitsbedingungen zu fördern. Der Shitstorm führte vergangene Woche zu ihrer Entlassung.

Derzeit wehren sich junge Menschen in China gegen Arbeitsanforderungen der Autokratie. Tang ping (flach liegen) beschreibt ein neues Phänomen, junge Leute entziehen sich dem Druck gesellschaftlicher Erwartungen und verzichten auf Karriere. Befeuert wird es von der wirtschaftlichen Krise des Immobiliensektors und der hohen Jugendarbeitslosigkeit, im Juni vorigen Jahres lag sie bei 21,3 Prozent. Einst sprach Qu Jing davon, mit ihrer Belegschaft »Schlachten zu gewinnen«. Gegen Chinas Jugend hat sie eine verloren.