Mittwoch, 12.10.2022 / 13:33 Uhr

Hijab und Antisemiitismus: Die Säulen der Islamischen Republik

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Demonstranten verbrennen eine Fahne der Islamischen Republik, Bildquelle: Twitter

Die Herrschaft der Islamischen Republik steht maßgeblich auf zwei Säulen: Ungleichbehandlung der Geschlechter und Vernichtung Israels. Wer auch nur eine dieser Prinzipien in Frage stellt, stellt das ganze System in Frage.

 

Eigentlich kann man – irgend ein x-beliebiger europäischer Politiker wird darüber gerne Auskunft geben – mit iranischen Regimevertretern über so gut wie alles reden, ja oft zeigen sie sich sogar sehr eloquent und manchmal sogar bereit zu Kompromissen. Jahrzehnte des Dialoges haben es bewiesen, hunderte von Delegationen in Teheran es vorgemacht. Aber über zwei Punkte lässt sich nicht reden, die da wären: Die Vernichtung Israels und das Kopftuch. Wer immer es versuchte, blitzte – mochte er sich ansonsten noch so devot zeigen – einfach ab.

Nein, beim Existenzrecht Israels ist ein iranischer Regierungsvertreter noch nie auch nur einen Millimeter von der Linie abgewichen, die Revolutionsführer Ayatollah Khomeini vorgegeben hatte: Das zionistische Krebsgeschwür, wie Israel in offizieller iranischer Terminologie heißt, müsse weg. Punkt. Ende des Gesprächs.

Genauso verhält es sich mit dem Kopftuch, dass schließlich auch jede Besucherin aus dem Ausland zu tragen hat, um so zu zeigen, dass man die Regeln der Islamischen Republik anerkennt und akzeptiert. Wer gegen den Hijab-Zwang demonstriert, stellt nämlich das ganze System in Frage. Deshalb auch ist der Protest iranischer Frauen dieser Tage für das Regime viel bedrohlicher, als andere Demonstrationen. Eine Islamische Republik ohne Kopftuchzwang und ohne das Staatsziel der Vernichtung Israels wäre, kurz gesagt, keine Islamische Republik mehr.

Man könnte auch sagen, das ganze Gebäude ruht auf diesen zwei Säulen. Werden sie erschüttert, gerät es als Ganzes ins Wanken. So meinte auch Ayatollah Khamenei es todernst, als er die Bewegung gegen Zwangs-Hijab schon vor fast einem Jahr als zionistische Verschwörung zu entlarven versuchte. Wenn heute einer der obersten Richter des Iran erklärt, dass Frauen, die öffentlich ihr Tuch abnehmen, noch härter bestraft gehören als andere Protestierende, weist diese Aussage in dieselbe Richtung.

Wer die iranische Außenpolitik kritisiert, deren oberstes Ziel die Vernichtung des jüdisches Staates ist, wer also etwa skandiert „Vergesst Palästina, vergesst Gaza, denkt an uns“ und sich damit offen dem Staatsziel der Islamischen Republik entgegenstellt, stellt sie ebenso grundsätzlich in Frage, wie all jene mutigen Frauen, die dieser Tage gegen den Kopftuchzwang demonstrieren. 

Dies schrieb ich vor sechs Jahren und daran hat sich nichts geändert, nur, dass seit nunmehr vier Wochen zum ersten Mal Proteste sich ganz ausdrücklich gegen den Hijabzwang richten. Die andere Säule wurde, auch daran sollte erinnert werden, von iranischen Studentinnen und Studenten schon vor zwanzig Jahren, nämlich im Winter 2002, in Frage gestellt

Während die iranischen Bassiji-Milizen am Freitag, dem »Jerusalem-Tag«, mit weiteren Unterstützern des Mullah-Regimes zu Hunderttausenden in Teheran gegen Israel demonstrierten, fordern die iranischen Studenten mittlerweile nichts weniger als ein Ende der Theokratie. »Während die USA das herrschende Regime im Iran als Teil der Achse des Bösen bezeichnet haben«, heißt es in einem Flugblatt des studentischen Koordinationskomitees für Demokratie in Iran, »(...) und die iranische Nation schreit, 'lasst Palästina in Ruhe, denkt an uns', fahren die Herrscher der Tyrannei (...) mit ihren antisemitischen Shows und Erklärungen fort.« Das ist ein einfacher Gedanke und es folgen einfache Forderungen: »Lange lebe der Säkularismus! Lang lebe die Freiheit!« Das Wohl und Wehe der iranischen Bevölkerung hänge nämlich, heißt es, nicht von der Existenz eines palästinensischen Staates ab, sondern von der Gewalt des eigenen Regimes.