Extreme Rechte diskutiert über sich selbst

Heucheln, Hetzen, Hoffen

Die Staats-Antifa macht mobil, das sorgt die extreme Rechte. Doch ein NPD-Verbot käme der braunen Konkurrenz gelegen.

Die extreme Rechte ist in heller Aufregung. Denn der zum antinazistischen Widerstandsort mutierte Standort Deutschland diskutiert nun schon seit einigen Wochen, ob die NPD zum abgeschlossenen Sammelgebiet für Antifa-Archive erklärt werden soll.

Die neonazistische Partei gibt sich derweil als verfolgte Unschuld und hofft darauf, aus dem repressiven Medienklima weitere Stärke zu gewinnen. 500 neue Mitglieder, prahlt NPD-Anführer Udo Voigt, habe man in den letzten Wochen rekrutiert - das wäre ein Zuwachs von gut acht Prozent. Vorletztes Wochenende konnte er einen prominenten Neuzugang präsentieren: Horst Mahler. Der Mitbegründer der RAF, seit einigen Jahren schon als hyperaktiver Antisemit bekannt (Jungle World, 52-1/1997-98), brachte gleich eine eigene Neugründung mit, die Initiative »Für Deutschland - Ja zur NPD«.

Während sich die NPD in Tapferkeitsritualen ergeht, schwankt die rechte Parteienkonkurrenz zwischen der Sorge, die gesamte extreme Rechte könnte im Eifer des Gefechts Schaden nehmen, und der Schadenfreude, die schlagkräftige Rivalin aus dem Rennen geworfen zu sehen. Republikaner-Chef Rolf Schlierer, der nach dem Abgang Schönhubers den Reps ein honoriges Image zu verpassen suchte und dabei innerparteilich nicht unangefochten blieb, machte sich zum Lautsprecher der Forderung nach einem NPD-Verbot. Dass dies bei den Reps intern auf einhellige Zustimmung stoßen wird, darf bezweifelt werden.

Das Zentralorgan des DVU-Chefs Gerhard Frey, die National-Zeitung, bringt es fertig, das völkisch-nationalistische Standardprogramm nun auch auf diese Diskussion zuzuschneiden: vom Heulen übers Heucheln zum Hetzen. Der als Leserschaft angepeilte »Rübe-Ab!»-Pöbel wird mit der blutroten Schlagzeile »Wo bleibt die Todesstrafe? Die Konsequenzen aus der Teufelstat von Düsseldorf« bedient. Eine Woche später folgt »'Rechtsradikale': Wie viel ist gelogen?«. Nach mehreren Seiten, die den vermeintlichen »Lügen« gewidmet sind, wendet man sich einer anderen Frage zu, nämlich - so die Schlagzeile - »Wer ist schuld an Deutschlands Entrechtung«. Die Fotofolge zeigt die üblichen Akteure im »schmutzigen Spiel von Medien und politischer Klasse«, ob nun Willy Brandt beim Kniefall im Warschauer Ghetto, Richard von Weizsäcker im Gespräch mit Steven Spielberg oder Joseph Fischer in Yad Vashem. Soll heißen, »die Juden« seien »unser Unglück«.

Die Beweisführung folgt in zwei Schritten im Rahmen einer »ernste(n) Auseinandersetzung mit ausländerfeindlicher Gewalt«. Sie steht unter dem Titel »Nicht Amok und Hass, sondern Charakter und Herz!«, für die National-Zeitung Ausdruck der Differenz deutsch und undeutsch. Der anonyme Autor beleuchtet die »Aufheizung der Täter im Skinhead- und Szenemilieu« und schreibt: »Das Angebot in 'Pühses Liste' des NPD-Verlags 'Deutsche Stimme' ist ein regelrechtes Horrorkabinett. (...) Die Produzenten und Vertreiber derartiger Machwerke machen sich mitschuldig an blutiger Gewalt.« Geschickt schießt man sich so auf ein Mitglied des Bundesvorstands der NPD ein: Jens Pühse.

Als einer der wahren Schuldigen taugt er indes nicht, denn diese dürfen nicht deutsch sein. Diese notwendige Verrenkung leitet ein Satz ein, der sich nur vordergründig auf Unholde vom Schlage Pühses bezieht: »Wer Deutschtum als Verbrechertum interpretiert, ist unser erbittertster Feind.« Wer tatsächlich gemeint ist, das zeigt die nächste Zwischen-überschrift: »Goldhagens willige Helfer«, unter der es dann heißt: »Die sich als Mörder und Brandschatzer gebärden sind also bei Licht betrachtet die Vollstrecker (oder 'willigen Helfer') der abwegigen Darstellung, wie sie auch bei Spielberg, Goldhagen oder Lea Rosh zum Ausdruck kommt, wonach (...) Töten ein deutsches Geschäft sei.«

So bleibt es nicht dabei, sich auf V-Leute als Urheber der Gewalt zu zielen, allgemein den »Schweinejournalismus« für rechten Terror verantwortlich zu machen oder diesen gleich zum »Phantom« zu erklären, wie Bruno Wetzel dies besorgt. Mit Daniel J. Goldhagen als exemplarischer Personifizierung jüdischer Machtgelüste ist auch die Verschränkung mit der fortlaufenden Agitation gegen die Entschädigung von Zwangsarbeitern gewährleistet. Den Anlass für passende Titelgeschichten liefert das einschlägige Buch Norman Finkelsteins, bekannt als eifernder Kritiker Goldhagens (vgl. Jungle World, 34/97 und 21/98).

Auch die Junge Freiheit (JF), das Wochenblatt für den völkischen Nationalisten mit Latinum, räumt der Diskussion viel Platz ein. Wo die National-Zeitung im Jargon der einfachen Leute über eine »Wahnsinns-Kampagne« jammert, diagnostiziert die JF eine Hysterie. Chefredakteur Dieter Stein vergoss anlässlich des Ludwigshafener Anschlags in einem Kommentar Tränen über »Nationale und Gewalt«, nur um drei Seiten weiter eine als Interview ausgegebene eitle Selbstdarstellung eines ganz besonderen Experten für Nazi-Glatzen zu präsentieren: Sascha Wagner, einst ein Aachener Hooligan, derzeit Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten in Rheinland-Pfalz. Im Gespräch mit Stein empfiehlt Wagner die JN als »die besten Sozialarbeiter« und entlarvt »Spitzel des Verfassungsschutzes und die Medien« als »Heißmacher« - ein schönes Wort im Zusammenhang mit einem Brandanschlag.

Auch die Presse derer, die sich noch im Jahr 2000 als Vertriebene definieren, seit jeher treibende Kraft des expansionistischen völkischen Nationalismus, nimmt sich des Themas an. Im Schlesier, früher offizielles Organ der Landsmannschaft Schlesien, ereifert sich Herbert Jeschioro, Vorsitzender des Zentralrats der vertriebenen Deutschen e.V., auf seine ganz eigene Weise rechtsstaatlich und antinazistisch. »Wenn nach derartigen Gewalttaten« wie dem Düsseldorfer Sprengstoffattentat »aber der Eindruck entsteht, daß diese dazu dienen, ein Kesseltreiben veranstalten zu können, wie dies im Grundsätzlichen 1933 nach dem Brand des Reichstags geschah, als Kommunisten, die noch nicht zum Nationalsozialismus übergetreten waren, mit dem Mittel des Verfolgungsdruckes 'bekehrt' werden sollten, dann ist Widerspruch angesagt.« Und weiter: »Ein Rechtsstaat darf es nicht dulden, daß durch die Politik oder die Interessengruppen Täter 'delegiert' werden und durch gezielten Verfolgungsdruck in einem Aufwasch auch gleich diejenigen einbezogen werden, die deshalb als unbequem gelten, weil sie die Einhaltung geltenden nationalen und internationalen Rechts fordern und den Mißbrauch an der Demokratie anprangern.«

Das Ostpreußenblatt hingegen, das Wochenblatt der Landsmannschaft Ostpreußen, will mit alledem nichts zu tun haben. Um bloß nicht an die nur kurze Zeit zurückliegenden eigenen Probleme mit der von der extremen Rechten durchsetzten Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) zu rühren, müht sich der verantwortliche Redakteur Peter Fischer, in der »aufgeheizte(n) Sphäre ein angemessenes Wort zur Lage zu finden«. Unter dem Titel »Aufklärung« zeigt Fischer, der von Kant und der Aufklärung nur »Königsberg« verstanden hat, dass er den Mut besitzt, sein Gehirn auszuschalten.

So hält er es mit dem Innenminister Brandenburgs, Jörg Schönbohm; dessen bahnbrechende Erkenntnisse über Gruppenprozesse, Alkohol und Mutproben als Ursachen von Nazigewalt decken sich mit Fischers Erfahrungswelt: »Wer in einer Kleinstadt aufgewachsen ist und zum Tanz unterm Maibaum auf die Dörfer geht, muß immer gewärtig sein, daß er eine handfeste Rauferei riskiert. Das mag (...) politischen Köpfen 'faschistisch' vorkommen, es spiegelt eine Wirklichkeit, die von der pommerschen Küste bis Andalusien reicht, ohne daß hier Arbeitslosigkeit oder extreme politische Anschauungen die Hand führen.«

Fehlt nur noch, dass irgendwelche rechten Vereinsmeier öffentlich davon träumen, nach einem NPD-Verbot endlich die in Parteiform gegossene »Einheit der Rechten« schaffen zu können. Doch das ist, wie auch die nächste Proklamation eines deutschen Haider, nur eine Frage der Zeit.