Daniel Diekmann, Interessengemeinschaft Habersaathstraße, im Gespräch über den Kampf der Bewohner eines Blocks in der Habersaathstraße um ihre Wohnungen

»Es ist ein kleiner Erfolg«

In einem weitgehend leerstehenden Wohnblock in der Berliner Habersaathstraße wohnen neben einigen ­regulären Mietern mit Mietvertrag seit einiger Zeit ehemals Obdachlose. Der Eigentümer will alle Bewohner loswerden, um das Gebäude abzureißen. Anfang August schickte er eine Sicherheitsfirma vorbei, die in dem Gebäude Zerstörungen anrichtete, Fenster ausbaute und zum Teil Strom und Wasser abstellte. Am 17. August wurde vor dem Amtsgericht in Berlin-Mitte die Kündigung eines Bewohners verhandelt. Die »Jungle World« sprach mit Daniel Diekmann von der Interessengemeinschaft Habersaathstraße über den Prozess und darüber, wie es weitergeht.
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Wie ist die Lage in der Habersaathstraße?
Wegen der Manipulation von Schlössern bei dem Überfall durch die Sicherheitsfirma haben wir momentan keinen Zugang zu den Mülltonnen und müssen den Müll mit Einkaufswägen wegfahren. Außerdem haben einige Mieter:innen mit unbefristeten Mietverträgen noch immer keinen Haustürschlüssel und müssen jedes Mal warten, bis jemand das Haus verlässt, um wieder reinzukommen.

Was geschah am Donnerstag vorvergangener Woche am Berliner Amtsgericht?
Dort gab es den ersten Prozess gegen einen Bewohner der Habersaathstraße mit einem unbefristeten Mietvertrag. Dem voraus ging eine Räumungsklage des Eigentümers gegen den Bewohner, nachdem dieser einer Verwertungskündigung widersprochen hatte. Eine solche ist möglich, wenn der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer »angemessenen wirtschaftliche Verwertung« des Grundstückes gehindert wird, wie es im Gesetz heißt. Das ist eines der wenigen Rechtsmittel, mit denen unbefristete Mietverträge gekündigt werden können.

Wie fiel das Urteil aus?
Das Gericht stellte fest, dass die Verwertungskündigung nicht zulässig ist. Außerdem sagte die Richterin: »Eine Wohnung ist kein Aktienpaket.« Sie fragte den Eigentümer Andreas Pichotta, warum er das Gebäude nicht saniere und verkaufe, so wie der vorherige Eigentümer. Pichotta konnte nicht darlegen, warum die maximale Profitorientierung mittels Abriss und Neubau die einzige Verwertungsmöglichkeit darstelle.

»Jede Kündigung und jede Klage ist mit viel Aufregung, vielen Terminen, viel Schriftverkehr und vielen Gesprächen verbunden.«

Welche Bedeutung hat das Urteil?
Für uns ist das ein kleiner Teilerfolg. Nach so vielen Jahren Durchhalten, nach den ganzen Strapazen und Schikanen der letzten Jahre wurden wir in unserer Rechtsauffassung bestätigt. Es ist ein Wahnsinn – wie Pichotta es getan hat –, wissentlich ein Wohnobjekt mit Mieter:innen mit unbefristeten Mietverträgen zu erwerben und anschließend zu sagen, dass man die Mieter:innen und auch das Haus gar nicht möchte, sondern nur den Grund und Boden.

Wie geht es jetzt weiter?
Es gibt weitere Klagen gegen Mietparteien und deshalb auch noch ein paar Prozesse. Die werden jetzt nach und nach abgearbeitet. Mein Termin sollte im September sein, ist jetzt aber auf Oktober verschoben worden. Ich gehe davon aus, dass wir bis zum Ende des Jahres mit allen Prozessen durch sind. Hier ist die Frage, ob wir mit dem Urteil vom Donnerstag ein Musterurteil für alle Fälle vorliegen haben. Bezüglich der Schikanen gegen Mieter:innen gibt es außerdem noch ein eigenes Verfahren im Rahmen des Mieterschutzgesetzes.

Was würde es bedeuten, wenn das Urteil eine Blaupause für alle weiteren Fälle bilden würde?
Es würde die psychische Belastung für uns Beklagte etwas vermindern. Jede Kündigung und jede Klage ist mit viel Aufregung, vielen Terminen, viel Schriftverkehr und vielen Gesprächen verbunden. So was braucht man nicht allzu oft.