Der in »Die Heimat« umbenannten NPD könnte die Parteienfinanzierung gestrichen werden

Die Nazis und die Staatsknete

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt darüber, ob der NPD die Parteienfinanzierung gestrichen wird. Das Verfahren hat mittlerweile eher symbolischen Charakter, denn die Partei, die sich inzwischen »Die Heimat« nennt, ist seit einigen Jahren weitgehend bedeutungslos.

Es klang wie eine Nachricht aus einer anderen Zeit. Am Dienstag vergangener Woche begann vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Verfahren gegen die ehemalige Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Der Partei, die sich seit kurzem »Die Heimat« nennt, soll die Möglichkeit staatlicher Förderung und steuerlicher Vergüns­tigungen entzogen werden.

Das Verfahren ist ein Nachhall der beiden gescheiterten Versuche (2003 und 2017), die NPD als verfassungsfeindliche Partei verbieten zu lassen. Heutzutage spielt die Organisation kaum noch eine öffentlich wahrnehmbare politische Rolle, selbst in der rechtsextremen Szene ist ihr Einfluss erheblich geschrumpft. Das war früher anders. In den neunziger Jahren war die Partei ein strategisches Bündnis mit dem Milieu der militanten Neonazikameradschaften eingegangen. Für dieses war die NPD interessant, weil eine Reihe wichtiger Neonaziorganisationen wie die Nationalistische Front, die Nationale Offensive, die Wiking-Jugend und weitere lokale Neonazigruppen nach dem Vereinsrecht verboten worden waren. Die NPD, die in den Sechzigern in ei­nigen westdeutschen Landtagen vertreten war, war hingegen durch das Parteienprivileg geschützt: Nur das Bundesverfassungsgericht kann Parteienverbote aussprechen.

Bald mehrten sich die Stimmen, die ein Verbotsverfahren gegen die erstarkende NPD forderten. Am 27. Juli 2000 wurde am Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn mutmaßlich von Rechts­extremen ein Rohrbombenanschlag auf eine Gruppe vorwiegend jüdischer Mi­grant:in­nen aus ehemaligen Sowjetrepubliken verübt. Im Oktober des­selben Jahres gab es einen Brandanschlag auf die Synagoge in Düsseldorf. Kurz darauf rief der der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einem »Aufstand der Anständigen« gegen rechte Gewalt auf; erst später kam heraus, dass die Täter keine Nazis, sondern zwei arabischstämmige junge Männer waren.

Anfang 2001 beantragten die Bundesregierung und wenig später auch der Bundestag und der Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD. Die NPD ließ sich in dem Gerichtsverfahren durch den ehemaligen RAF-Anwalt und heutigen Nazi Horst Mahler und den mittlerweile verstorbenen Anwalt und NPD-Politiker Hans Günter Eisenecker vertreten. Das Bundesverfassungsgericht stellte das Verfahren 2003 ein, weil die Führungsgremien der Partei von V-Männern des Verfassungsschutzes durchsetzt waren. Ein Richter sagte damals, das »verfassungsgerichtliche Parteiverbot, die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde«, benötige »ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit des Verfahrens«. Aufgrund der Präsenz von geheimdienstlichen Informanten in den Führungsgremien der Partei sei nicht klar festzustellen, welche politischen Entscheidungen der Partei und welche den staatlichen Behörden zuzurechnen sein.

Nach dem gescheiterten Verbotsverfahren erzielte die NPD ihre seit langem größten parlamentarischen Er­folge. 2004 zog sie in den sächsischen Landtag ein, 2006 in den von Mecklenburg-Vorpommern.

Die NPD argumentierte, sie erhalte seit 2021 keine Parteien­finanzierung mehr. Dafür muss eine Partei bei Bundestags- oder Europawahlen mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erhalten, bei Landtags­wahlen ein Prozent.

Nach der Selbstenttarnung des NSU kam es zu einem erneuten Verbotsverfahren. Der NPD-Funktionär Ralf Wohlleben hatte die Terrorgruppe ­unterstützt; später wurde er dafür wegen Beihilfe zum neunfachen Mord zu zehn Jahren Haft verurteilt. 2012 beantragte der Bundesrat ein erneutes Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht; Bundesregierung und Bundestag beteiligten sich nicht an dem Antrag. Diesmal teilten die Verfassungsschutzämter mit, die Zusammenarbeit mit allen V-Männern in der Führungsebene der NPD eingestellt zu haben. Das Verbotsverfahren traf die Partei jedoch in einer Phase des Niedergangs. Verschiedene Strafverfahren und Skandale – falsche Rechenschaftsberichte, Erschleichung von Bundesmitteln und Veruntreuung von Partei­geldern – machten sie weitgehend handlungsunfähig. Interne Konflikte eskalierten, es gelang der NPD nicht, die sich ab 2014 formierende Bewegung gegen die Aufnahme von Flüchtlingen zu dominieren.

So endete das Verfahren 2017 mit der Feststellung, dass es sich bei der NPD zweifelsohne um eine Partei mit verfassungsfeindlichen Absichten handele, es fehle aber an »konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen lassen, dass dieses Handeln zum Erfolg führt«. Aus diesem Grunde könne die Partei nicht verboten werden. In seinem Urteil regte das Gericht allerdings an, dass man der Partei den Zugang zur staatlichen Förderung verwehren könne. Dafür müsse man allerdings das Grundgesetz entsprechend ändern.

Nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens wurde 2017 dem Grundgesetz Artikel 21 Absatz 3 hinzufügt. Demnach sind »Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen«, von staatlicher Finanzierung und steuerlichen Begünstigungen ausgeschlossen. Im Juli 2019 beantragten Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht den entsprechenden Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung, der nun seit vergangener Woche verhandelt wird. Die Partei blieb der Verhandlung fern. Zuvor hatte sie argumentiert, dass sie seit 2021 sowieso ­keine Parteienfinanzierung mehr erhalte. Dafür muss eine Partei bei Bundestags- oder Europawahlen mindestens 0,5 Prozent der Stimmen erhalten, bei Landtagswahlen ein Prozent.

Der Antrag dürfte, trotz des fortschreitenden Verfalls der NPD und ihres Versuchs, sich als Die Heimat neu zu erfinden, gute Chancen auf Erfolg haben. Angesichts der geringen politischen Rolle der NPD hat das Verfahren jedoch nur noch symbolische Bedeutung. Damit passt es ganz gut in die Geschichte der letztlich gescheiterten Versuche, die NPD zu verbieten, die in erster Linie von der Absicht geleitet waren, effektives staatliches Handeln gegen militanten Neonazismus zu demonstrieren.

Während die NPD in der Versenkung verschwindet, erlebt die AfD gerade ein Umfragehoch. Vor einigen Wochen hatte ein Gutachten des Deutschen ­Instituts für Menschenrechte für Diskussionen gesorgt, dem zufolge die AfD inzwischen die Voraussetzungen für ein Parteienverbot erfüllt. Ein solches Verbotsverfahren scheint derzeit unwahrscheinlich. Doch der Politikwissenschaftler Hajo Funke hatte schon 2018 die Einschätzung vertreten, dass die Grundgesetzänderung zur Parteienfinanzierung auch für die AfD eine Gefahr darstelle, wenn sie weiter »in diese zum Teil rechtsextreme Richtung« gehe. Das hat die AfD zweifellos getan – seit vergangenem Jahr wird die gesamte Partei sogar vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für Rechtsextremismus beobachtet.