Der Klimawandel ist eines der drängendsten Probleme in Spanien

Prima Klima

In Spanien sind die Auswirkungen des Klimawandels durch Hitzewellen und Dürre bereits spürbar, aber die konservative Volkspartei (PP) macht Politik gegen den Klimaschutz. Das ist auch als Zugeständnis an den möglichen Koalitionspartner, die rechtsextreme Partei Vox, zu verstehen.

Bis zu 47 Grad heiß war es vergangene Woche in Sevilla. Aber nicht nur in der andalusischen Bratpfanne, wie das Tal des Guadalquivir, in dem die südspanische Stadt liegt, traditionell genannt wird, in ganz Spanien ist der Klimawandel durch Hitzewellen, Dürre und Extremwetterereignisse zu spüren. Im Sommer fällt in Sevilla häufig der Strom in den von Ärmeren bewohnten Vorstädten aus – die Anpassung an die Hitze macht das umso schwieriger, wenn man sich denn dort überhaupt eine Klimaanlage leisten kann. An der Hitze sterben so vor allem verarmte Ältere. Die erste Juliwoche war die heißeste je gemessene in Europa. Im Sommer des vergangenen Jahres gab es dem Fachmagazin Nature Medicine zufolge mindestens 11.324 hitzebedingte Todesfälle in Spanien.

Die Minderheitsregierung unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsident Pedro Sánchez, eine Koalition seiner Partei PSOE und des linksalter­nativen Wahlbündnisses Unidas Podemos, bemüht sich bislang halbherzig um eine Verringerung des CO2-Ausstoßes und eine Anpassung an den Klimawandel. Aber sollte nach den Par­lamentswahlen am 23. Juli die konser­vative Volkspartei PP mit Unterstützung der rechtsextremen Partei Vox oder gar in einer Koalition mit ihr re­gieren, droht ein Ende dieser Maßnahmen.

Das lässt sich bereits in Regionen beobachten, in denen der PP mit den Stimmen von Vox regiert oder regierte. Im Januar 2019 wurde bei den Regionalwahlen in Andalusien, einer traditionellen Hochburg der Sozialdemokra­tie, der PP-Kandidat Juan Manuel Moreno Bonilla mit Stimmen der Vox und der konservativ-liberalen Partei Ciudadanos zum Regionalpräsidenten gewählt. Eine der ersten Maßnahmen der neuen Regionalregierung war 2019 die Abschaffung des Umweltschutzministeriums. Seit vorgezogenen Neuwahlen 2022 regiert der PP nun mit einer absoluten Mehrheit, Moreno ignoriert aber weiterhin das andalusische Gesetz zum Klimawandel, welches das Regionalparlament 2018 unter der Vorgängerregierung verabschiedet hatte. Es sieht Emissionsverringerungen und zahlreiche Umweltschutzmaßnahmen vor.

Die Zahl der Bäume auf städtischen Flächen in Madrid ging von 2019 bis 2022 um 19,5 Prozent zurück, von 400.000 auf 322.000.

Nach den Regionalwahlen vom 28. Mai, bei denen PP und Vox Mehrheiten in zahlreichen Regionen und Kommunen gewonnen haben, gibt es auch dort Rückschritte im Kampf gegen den Klimawandel. Beispielsweise auf den Balearen: Am 3. Juli wurde bekannt, dass die neue Regionalregierung unter Marga Prohens vom PP auch hier das Umweltschutzministerium auflöst. Das kann als Zugeständnis an Vox gewertet werde; mit der Partei schloss der PP vergangene Woche ein Abkommen, damit Vox eine Minderheitsregierung des PP auf den Balearen toleriert. Es sieht unter anderem vor, Umweltschutzauflagen zurückzunehmen: die Schleppnetzfischerei wieder zu erlauben, Hotels expandieren zu lassen, den Kreuzfahrttourismus und die Jagd zu fördern, EU-Auflagen für Landwirtschaft, Fischerei und Küstenschutz zurückzunehmen.

Ebenfalls mit der Duldung von Vox regiert der PP seit 2019 in der Stadt und in der Region Madrid. Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida (PP) hat bereits einige Maßnahmen seiner linken Amtsvorgängerin Manuela Carmena Castrillo (Más Madrid) rückgängig gemacht.

Madrid ist bekannt für die besonders schlechte Luft und überschreitet seit Jahren die von der EU vorgegebenen Stickstoffwerte. Castrillo beschränkte daher den Autoverkehr und förderte die Begrünung der Stadt. Martínez-Almeida versuchte nach seinem Amtsantritt zunächst das 2018 eingeführte Einfahrverbot für alte Diesel- und Benzinfahrzeuge in die Niedrigemissionszone Madrid Central aufzuheben, scheiterte aber am Verwaltungsgericht. Er führte den Rechtsstreit fort und hatte 2021 schließlich Erfolg vor dem Obersten Gerichtshof. Das Projekt der Niedrigemissionszone beschnitt er daraufhin deutlich, indem er 40 Prozent mehr Verkehr in den nun »Madrid 360« genannten Zone zuließ, was Umweltorganisationen, die EU und der spanische Ombudsmann als Rückschritt in der Klimapolitik kritisierten.

Bis 2022 nahm unter der Regierung Martínez-Almeida die Zahl der Bäume auf städtischen Flächen um 19,5 Prozent, von 400.000 auf 322.000, ab, wie im Mai bekannt wurde. Die spanische Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción kritisierte in ihrem Jahresbericht im Juni: »Die gesamte Bevölkerung und das gesamte Territorium Madrids waren ungesunder Luft ausgesetzt.«

Bürgermeister Martínez-Almeida wirkt zwar mit seiner Politik dem Klimawandel nicht gerade entgegen, aber immerhin leugnet er ihn nicht. Das sieht bei seiner Parteikollegin Isabel Díaz Ayuso, der Regionalpräsidentin von Madrid, schon anders aus. Sie hält den Klimawandel für einen Mythos, verbreitet von einer internationalen Verschwörung von Kommunisten und dubiosen Machtgruppen.

»Der apokalyptische Diskurs ist unverantwortlich«, sagte sie im November vergangenen Jahres im Regionalparlament. Die Linke nütze ihn aus, um neue Konsumformen zu propagieren, durch welche die Gesellschaft »verarmen« werde. Die Rede vom Klimawandel sei ein »großer Betrug durch gewisse Lobbys«, sagte sie im Oktober 2022 auf einer Wahlkampfveranstaltung. »Die Linke beschreibt zusammen mit verschiedenen Wirtschafts- und Machtgruppen die schlimmsten Szenarien, um Terror zu schüren.« Das kam bei der Wählerschaft offenbar gut an.