Nach wie vor werden in der Linkspartei israelfeindliche Positionen vertreten

Gegen Israel geht immer

Auch wenn mit dem Wagenknecht-Lager eine nationalistische Strömung die Linkspartei verlassen hat, schwächt das die israelfeindlichen Positionen in der Partei keineswegs. Das hat unter anderem der Parteitag in Augsburg gezeigt.

Als Sahra Wagenknecht und ihre Getreuen die Linkspartei verließen und auszogen, eine neue Partei zu gründen, war vielerorts die Hoffnung zu hören, dass die Partei »Die Linke« nun endlich ein unterstützenswertes Projekt werden könne. Es gab Aufrufe an Linksradikale, in die Partei einzutreten, die tatsächlich in den vergangenen Wochen eine kleinere Eintrittswelle verzeichnen konnte. Wer hoffte, die schlimmsten Gestalten seien aus der Linkspartei ausgetreten und diese sei fortan akzeptabel, muss allerdings nur auf das Objekt linker Obsessionen Israel und den sogenannten Nahostkonflikt schauen. Denn dabei wird deutlich, dass die Partei »Die Linke« weiterhin für alle unwählbar bleibt, die »Gegen jeden Antisemitismus!« nicht nur als hohle Phrase nutzen.

Auf dem Parteitag der Linkspartei am vorvergangenen Wochenende in Augsburg beschlossen die Delegierten einen Antrag des Parteivorstands mit dem Titel »Stoppt den Krieg – Waffenstillstand sofort! Geiseln freilassen! Antisemitismus und Rassismus ächten!« Darin werden zwar pflichtschuldig »die Gräueltaten der Hamas vom 7. Oktober« verurteilt, aber weitaus schärfere Worte findet man für die israelische Reaktion.

Von einer »exzessiven Bombardierung des Gaza-Streifens« ist dort die Rede und davon, dass die IDF »Wohnhäuser, Schulen, Kirchen, Moscheen, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen« angegriffen hätten. »Auch Fluchtrouten und Zufluchtsorte wurden bombardiert«, heißt es weiter. Diese Behauptung verbreiteten auch die Sender al-Jazeera und BBC. Indizien deuten hingegen darauf hin, dass es zuletzt tatsächlich Heckenschützen der islamistischen Terrorgruppen waren, die auf jene schossen, die der Aufforderung des israelischen Militärs nachkamen, in den südlichen Teil des Gaza-Streifens zu gehen. Seit Beginn der Militäraktion in Gaza hatte die Hamas Berichten zufolge wiederholt versucht, die Zivilbevölkerung daran zu hindern, den Norden Gazas zu verlassen.

»Das, was Israel gerade in Gaza macht (...) hat nichts, aber auch gar nichts mit Selbstverteidigung zu tun.« Özlem Demirel (Linkspartei), Mitglied des EU-Parlaments

In ihrem Pamphlet maßt sich die Linkspartei sogar an, dass Leid der Israelis beziehungsweise »jüdischer Menschen weltweit« und der Palästinenser zu klassifizieren. Während Erstere durch den »Anschlag« der Hamas traumatisiert seien, seien Letztere selbstverständlich »schwer traumatisiert«. Nicht dass noch Zweifel aufkommen, wer das wichtigere Opfer ist. Klar wird auch, wen die Linkspartei letztlich für verantwortlich hält: »Die Jahrzehnte der Besatzung in der Westbank, der fortgesetzte Siedlungsbau, die Blockade des Gaza-Streifens, die Entrechtung und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit bilden den Nährboden für radikale und islamistische Gruppen. Die ultrarechte Regierung von Benjamin Netanyahu hat diese Entwicklung befördert.« Und: Die Linkspartei ist für einen sofortigen Waffenstillstand und für die Zweistaatenlösung. Weiter heißt es, »Antisemitismus darf in der Öffentlichkeit keinen Raum bekommen«, doch die eigentliche Sorge gilt freilich dem »antimuslimischen Rassismus«.

Der Parteitagsbeschluss war, man mag es kaum glauben, ein Kompromisspapier, das der Vorstand aus zwei konkurrierenden Anträgen in der Woche vor dem Parteitag zusammenfügte. Der eine – eher israelsolidarische – Antrag kam von einer Gruppe aus der »Progressiven Linken« um Klaus Lederer, der andere kam von einer Gruppe um die EU-Parlamentarierin Özlem Demirel, die auf dem Parteitag sagte, »während wir diese Debatte hier führen, sind zwei Kinder in Gaza tot. Alle zehn Minuten stirbt dort ein Kind.«

Demirel spricht auch regelmäßig auf »Free Palestine«-Demos. In Wuppertal sagte sie bei einer solchen am 11. November: »Das, was Israel gerade in Gaza macht, die Politik der Netanyahu-Regierung gegenüber den Palästinensern seit Jahren und Jahrzehnten, hat nichts, aber auch gar nichts mit Selbstverteidigung zu tun.« Es sei »ein Massaker, über das man nicht länger schweigen darf«. Auf dem Parteitag wurde Demirel für die Wahl zum EU-Parlament im kommenden Jahr auf den dritten Listenplatz gewählt.

Auf den fünften Platz selbiger Liste schaffte es Ines Schwerdtner. Die ehemalige Chefredakteurin des Magazins Jacobin wechselte in diesem Jahr in die Politik und fiel kürzlich damit auf, dass sie gemeinsam mit den Journalisten Raul Zelik und Sebastian Friedrich die Berliner Volksbühne dafür kritisierte, den ehemaligen Vorsitzenden der britischen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, von einer Veranstaltung ausgeladen zu haben, weil er weder in der Lage ist, die Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen, noch dazu, sich dagegen auszusprechen, dass die Hamas die Kontrolle über den Gaza-Streifen behalten solle.

In einem Meinungsbeitrag für die Tageszeitung ND, das ehemalige Zen­tralorgan der »Die Linke«-Vorgängerpartei SED, schrieb Schwerdtner, man könne Corbyn kritisieren »oder auch begründet zu einer anderen Haltung kommen als er und andere aus der an­glophonen Linken, die seit jeher härter sind in ihrer Verurteilung des israelischen Staates. Ihn und damit diese Position aber auszuschließen, bedeutet nur, den linken Pluralismus zu verengen. Ziehen wir die diskursive Grenze an der deutschen Sichtweise, verlieren wir jeglichen Kontakt zur europäischen Linken, die wir doch gerade von unten neu begründen wollen.«

Wer international anerkannt werden will, muss nun mal Israel hassen. Oder: Wer Israel nicht hasst, ist provinziell.