Rezension des Romans »Verdunstung in der Randzone« von Ilija Matusko

Vom Tellerwäscher zum Autor

Sorgfältig zusammengesetzte Collagen aus Zitaten, Beobachtungen, Erinnerungen an die eigene Biographie und Familiengeschichte: Ilija Matusko legt mit »Verdunstung in der Randzone« seinen autobiographischen Debütroman vor.
Buchkritik Von

Den Fettgeruch loswerden, das ist ein Wunsch, den Ilija Matusko seit seiner Kindheit hegt und der das Leitmotiv seines autobiographischen Debütromans »Verdunstung in der Randzone« ist.

Ilija wächst als Sohn eines kroatischstämmigen Vaters und einer deutschen Mutter im Bayern der achtziger Jahre auf. Die Eltern betreiben verschiedene Gaststätten und Ilija und seine Schwester helfen mit. »Es riecht nach Pommes, Ilija kommt!« ruft ein Mitschüler, als Ilija sich nähert. Der Geruch haftet an ihm, er schämt sich für seine Familie, für ihre kleine Wohnung, für ihr schäbiges Auto, für seine billigen Tennisschuhe und Klamotten.

Ilija Matuskos Debüt bezieht sich auf französische Vorbilder, es gibt Verweise auf Pierre Bourdieu, Roland Barthes, Didier Eribon und Annie Ernaux.

Der Pommesgeruch ist ein Ausweis seiner Klassenzugehörigkeit, wie er zu verstehen beginnt, als er Soziologie studiert. Er erlernt die Codes der universitären Welt, passt sich an. Mit der Erfahrung von Klassismus beschäftigt der Autor sich in zehn Kapiteln mit jeweils einem Hauptthema.

Es sind sorgfältig zusammengesetzte Collagen aus Zitaten, Beobachtungen, Erinnerungen an die eigene Biographie und Familiengeschichte. Neben dem Geruch geht es um Arbeit, Kunst, Tennis oder den Mercedes als Statussymbol der sozialen Unterschicht.

Den Fettgeruch loswerden. Pommesbude in Hamburg, 2009

Den Fettgeruch loswerden. Pommesbude in Hamburg, 2009

Bild:
Wikimedia / Alice Volkwardsen / CC BY-SA 3.0

Es ist ein aufrichtiges und selbstreflexives Bekenntnis, die Aufstiegsgeschichte eines Tellerwäschers »zum Autor, der übers Tellerwaschen schreibt«, durchsetzt von gesellschaftlich erzeugter Scham und dem Schmerz, den die Existenz in einer Art Zwischenraum hervorruft: Mit dem Bildungsaufstieg setzt Matuskos Distanzierung vom früheren Milieu und seinen Menschen ein, doch zugleich kommt er nie richtig in seinem neuen Leben an.

Ilija Matuskos Debüt bezieht sich auf französische Vorbilder, es gibt Verweise auf Pierre Bourdieu, Roland Barthes, Didier Eribon und Annie Ernaux. Stellenweise ist der Text vielleicht etwas repetitiv, andererseits können die einzelnen Kapitel so auch für sich stehen.


Buchcover

Ilija Matusko: Verdunstung in der Randzone. Suhrkamp, Berlin 2023, 238 Seiten, 17 Euro