Die rechte Identitätspolitik von Kulturschaffenden und Bauern

Von Kunst und Kartoffeln

Mit dem Aufruf »Strike Germany« tun »internationale Kulturschaffende« das, was parallel in der Landwirtschaft tätige Unternehmer:innen in ihrer Reinszenierung als »Nährstand« mithilfe machistischer Maschinenpark tun: rechte Identitätspolitik betreiben.
Was kümmert mich der Dax Von

Der Deutschland-Boykott wird zwar mit haarsträubenden Thesen begründet, aber vielleicht sollte man in diesem Fall nicht pingelig sein. »Strike Germany« ist »ein Aufruf an internationale Kulturschaffende, deutsche Kulturinstitutionen zu bestreiken (…), die die freie Meinungsäußerung einschränken, insbesondere den Ausdruck von Solidarität mit Palästina«.

Die Diktion des Aufrufs lässt wenig Zweifel daran, was hier unter »Einsatz für Befreiungsbewegungen« verstanden wird. Diese »verdächtig zugespitzte und simplifizierte« Sprache verführte den mit dem inhaltlichen Niveau der »Palästina-Solidarität« offenbar nicht vertrauten Peter Richter in der Süddeutschen Zeitung zu der Mutmaßung, womöglich hätten »rechte, identitäre Scherzbolde« eine Parodie ins Netz gestellt.

Es muss sich erst noch erweisen, ob die Unterzeichner:innen ernsthaft auf deutsche Staatsknete verzichten wollen.

Der mittlerweile von mehr als 1.000 Menschen unterzeichnete Aufruf ist echt, dennoch liegt Richter mit seiner Kennzeichnung der Urheber:innen nicht ganz falsch. Sich de facto mit der Hamas zu solidarisieren, ist rechte Identitätspolitik, und wenngleich der Aufruf kein Scherz ist, muss sich erst erweisen, ob die Unterzeichner:innen ernsthaft auf deutsche Staatsknete verzichten wollen.

Möglicherweise sind ihnen die Lob- und Preisreden der Kulturbürokratie zu Kopf gestiegen. Der Aufruf behauptet: »Deutschland profitiert enorm von den Diskursen und Reflexionsräumen, die Kulturschaffende hervorbringen.« Die Unterzeichnenden scheinen ihre Marktmacht zu überschätzen. Es gibt auch im sogenannten Globalen Süden genügend Künstler:innen, die Israel nicht hassen, und eine Documenta 16 ohne antisemitische Werke muss nicht als Verlust von wertvollem Kulturgut empfunden werden.

Es gibt auch im sogenannten Globalen Süden genügend Künstler:innen, die Israel nicht hassen, und eine Documenta 16 ohne antisemitische Werke muss nicht als Verlust von wertvollem Kulturgut empfunden werden.

Geschickter stellen sich »die Bauern« – in der Landwirtschaft tätige Unternehmer:innen – an, indem sie an die reaktionäre Agrarromantik vom »Nährstand« anknüpfen, zugleich aber mit ihrem wuchtigen Maschinenpark Macht demonstrieren und machistische Träume ansprechen. Der Maschinenpark macht eigentlich schon hinreichend deutlich, dass Landwirt:innen zwar eine zentrale Rolle bei der Produktion von Nahrungsmitteln spielen, die Ernährung aber ohne Fließbandarbeiter in den Traktorfabriken, aber auch Kassiererinnen im Supermarkt und viele andere Lohnabhängige nicht möglich wäre. Die Einnahmen der Agrarunternehmer:innen stammen knapp zur Hälfte aus staatlichen Subventionen. In ihrer Bockigkeit, diese für ein heiliges Recht zu halten, gleichen sie den Kulturschaffenden.

Ob Kunst oder Kartoffeln – im Kapitalismus muss subventioniert werden, was erwünscht oder notwendig, aber auf dem Markt nicht hinreichend profitabel ist. Dafür sind hin und wieder Bedingungen zu erfüllen, und darüber empören sich in Standesdünkel und kleinbürgerlichem Bewusstsein befangene Kulturschaffende und Landwirt:innen. Über Zielrichtung und Details der Subventionspolitik sollte gestritten werden. Wer aber auf die Solidarisierung mit Antisemit:innen nicht verzichten mag oder Klimapolitik für eine grüne Verschwörung hält, kann dafür ja auf die Staatsknete verzichten. »Strike Germany« könnte da ein Anfang sein.