In Thüringen könnte die AfD eine weitere Landratswahl gewinnen

Kommunale Faschisierung

Die AfD erringt auf kommunaler Ebene immer mehr politische Macht. Im thüringischen Saale-Orla-Kreis könnte sie bei der Stichwahl erneut einen Landratsposten erringen. Ihr Kandidat hat Verbindungen ins Reichs­­bürger-Milieu und holte im ersten Wahlgang 45,7 Prozent der Stimmen.

Es waren mal wieder gute Nachrichten für die AfD: Bei der Landratswahl im thüringischen Saale-Orla-Kreis Mitte Januar holte der AfD-Kandidat Uwe ­Thrum mit 45,7 Prozent die meisten Stimmen. Von den 60.000 Wahlberechtigten waren rund zwei Drittel zur Wahl gegangen.

Am kommenden Sonntag sind nun Stichwahlen. Der AfD-Landtagsabgeordnete und Tischlermeister Thrum wird dabei gegen den zweitplatzierten Christian Herrgott von der CDU antreten, der 33,3 Prozent der Stimmen erhielt. Er lag damit deutlich vor der parteilosen Kandidatin Regina Butz, die für die SPD antrat und 14,2 Prozent der Stimmen erhielt, und Ralf Kalich von der Linkspartei, der nur auf 6,9 Prozent kam.

»Mit großer Sorge blicken wir auf die anstehenden Kommunalwahlen in Thüringen«, sagt David Rolfs, der für den Saale-Orla-Kreis zuständige Berater für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt bei der Opferberatung Ezra.

Das miese Abschneiden der Linkspartei führt Kalich auf die Bundespolitik, die Bauernproteste und die allgemeine Krise der Linken zurück. »Das kriegen wir bei so einer Wahl ja nicht vom Tisch«, sagte der 53jährige der Taz. Trotzdem wolle er sich nun »mit allen demokratischen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, gegen einen AfD-Landrat einsetzen«.

Auf kommunaler Ebene ist die AfD derzeit ziemlich erfolgreich. Vergangenes Jahr gewann die AfD im thüringischen Sonneberg zum ersten Mal eine Landratswahl. Im Dezember wurde ein AfD-Kandidat im sächsischen Pirna zum ersten Mal zum Oberbürgermeister gewählt.

»Mit großer Sorge blicken wir auf die anstehenden Kommunalwahlen in Thüringen«, sagt David Rolfs, der für den Saale-Orla-Kreis zuständige Berater für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt bei der Opferberatung Ezra, der Jungle World. Er befürchtet, dass »die meisten Kommunen und Landkreise bald von der AfD regiert werden könnten«. Die Bedeutung einer solchen Entwicklung sollte aus seiner Sicht nicht unterschätzt werden, da »sich Kommunalpolitik stark auf das gesellschaftliche Klima vor Ort auswirkt«.

»Umsetzung der rassistischen Vertreibungspläne der AfD«

Wenn eine extrem rechte und rassistische Partei wie die AfD entscheidende Verwaltungsstellen besetzt, so Rolfs weiter, »kann sie geflüchteten Menschen das Leben massiv erschweren« – zum Beispiel, indem sie Migranten keinen angemessenen Wohnraum zur Verfügung stelle, Anträge zum Aufenthalt verschleppe und rassistische Angriffe legitimiere. »Durch diese und weitere Aspekte kann die AfD auch auf kommunaler Ebene auf die Umsetzung ihrer rassistischen Vertreibungspläne hinarbeiten«, so Rolfs. Diese Entwicklung sei schon jetzt »in unserer Beratungsarbeit im Landkreis Sonneberg, in dem die AfD seit Mitte letzten Jahres den Landrat stellt«, zu beobachten.

Alles andere als erfreut, aber »auch nicht sehr überrascht von dem Ausgang des ersten Wahlganges« ist die in Ost­thüringen beheimatete zivilgesellschaftliche Initiative »Dorfliebe für alle«. Ihre Hoffnung für den zweiten Wahlgang ist, »dass nun wirklich alle auf­stehen und wählen gehen«. Politische Grabenkämpfe dürften keine Rolle mehr spielen, sagte Sprecher Michael Pape der Jungle World, sondern es müsse nun »geschlossen die Demokratie verteidigt werden«. Dieser Appell richtet sich an den Kandidaten der CDU, Christian Herrgott, der Pape zufolge »nun wirklich einend wirken« und auf popu­listische Losungen verzichten müsse.

Dass Herrgott diese Hoffnung erfüllt, ist eher zweifelhaft. Der ehemalige Zeitsoldat ist Generalsekretär des CDU-Landesverbands und Abgeordneter im Thüringer Landtag. Im Wahlkampf bediente er sich populistischer Rhetorik gegen Migranten und Arme. In einer Anzeige in der Lokalpresse listet er drei »politische Grundüberzeugungen« auf: »Bürgergeld abschaffen«, »Konsequent abschieben« und »Windkraft im Wald verhindern«.

Angst vorm größeren Übel

Dass ausgerechnet eine solche Wahlkampagne auch Wählerinnen jenseits des CDU-Milieus überzeugen kann, ist kaum vorstellbar; nur die Angst vorm größeren Übel dürfte manche zur Wahl treiben. Auf seinem Wahlflyer fordert der AfD-Kandidat Thrum einen »Ausbaustopp für Windkraftanlagen«, widmet sich aber auch der Weltpolitik, indem er fordert, die Sanktionen gegen Russland zu beenden. Im vergangenen Jahr vertrat er die Position, dass die ­Ukraine Ostgebiete an Russland abtreten müsse. Vor allem aber ist er tief verstrickt in regionale rechtsextreme Netzwerke.

Antifaschisten aus der Region dokumentierten Überschneidungen zwischen dem thüringischen AfD-Gebietsverband Saale-Orla und einem Reichsbürger-Netzwerk um Frank Haußner. Der Taz zufolge haben Thrum und Haußner auch gemeinsam Veranstaltungen organisiert. Haußner ist bei den rechtsextremen Vernetzungsplattformen Freies Thüringen und Patrioten Ostthüringen aktiv. Die Gruppen veranstalteten regelmäßig Demonstrationen, bei denen manchmal auch der Fraktionsvorsitzende der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, auftrat. Bei einer Demonstration würdigte Höcke in seiner Rede den anwesenden Frank Haußner für sein »jahrelanges Engagement bei den Spaziergängern, bei den Freiheitskämpfern auf der Straße«.

Björn Höcke wetterte gegen die »Scheindemokratie in der BRD« und bezeichnete den Milliardär und Philanthropen George Soros als einen jener globalen »Strippenziehern mit sehr viel Geld«, welche die ­eigentlichen »Gegner« seien.

Der MDR berichtete von einem »Informationsabend« im Oktober 2021, bei dem Haußner sich erfreut gezeigt habe, dass auch »AfDler« anwesend seien: »Uns alle vereint ein Ziel: die Überwindung des BRD-Unrechtsregimes.« Außerdem habe Haußner mit Kontakten zum Reichsbürger-Verschwörer Heinrich XIII. Prinz Reuß geprahlt: »Wir haben im Gebiet des Fürstentums Reuß die einmalige Konstellation, einen legitimen Rechtsnachfolger eines Reichsfürsten zu haben, der den Weg zu Souveränität und Staatlichkeit mit uns gehen will. Ich werde diesen Weg mit ihm gemeinsam gehen und rufe Euch auf, diesen Weg ebenfalls einzuschlagen. Lasst uns als nachgewiesene Deutsche entsprechend unserer Abstammung der Staatssimulation BRD den Rücken kehren!« Reuß wurde Ende 2022 verhaftet und steht derzeit vor Gericht, weil ihm vorgeworfen wird, mit einer Reichsbürger-Gruppe einen Staatsstreich geplant zu haben.

Uwe Thrums Verbindung zum Reichsbürger-Verschwörer Prinz Reuß

Der thüringische Verfassungsschutz hat nach eigenen Angaben die Gruppe Freies Thüringen im Blick, trotzdem wurde sie bisher nicht auf Landesebene als Beobachtungsobjekt eingestuft. Das sei nicht nötig, sagte der Präsident des Landesverfassungsschutzes, Stephan Kramer, im Februar 2002.

Im Jahresbericht für das Jahr 2022 wird die Gruppierung nur einmal am Rande erwähnt, obwohl Haußner offenbar mit dem Reichsbürger-Verschwörer in Verbindung stand, wie der MDR berichtete. Nach eigenen Angaben wurde Haußner 2019 von Reuß zu einem Treffen »führender Akteure aller Reichsbürgerströmungen« eingeladen.

Uwe Thrum hat sich mindestens einmal mit Heinrich Reuß getroffen. Dokumentiert hat das Peter Hagen, ein Reporter der Ostthüringer Zeitung. Im August 2022 hatte die Kleinstadt Bad Lobenstein Reuß, der schon damals als Reichsbürger bekannt war, zum Empfang des Bürgermeisters beim Stadtfest eingeladen. Während des Fests filmte der Reporter, wie sich der Prinz, ­Thrum und der Bürgermeister an einem Stehtisch auf dem Marktplatz unterhielten – und wurde dann vom Bürgermeister angegriffen. Wenige Monate später wurde Reuß verhaftet.

Wie eng die rechtsextremen Milieus zusammenrücken, wenn Erfolge in greifbare Nähe rücken, war auch am 17. Januar im Saale-Orla Kreis zu beobachten. Die Eröffnung eines neuen ­Büros in Neustadt/Orla durch den Landtagsabgeordneten der AfD, Ringo Mühlmann, wohnte nicht nur Thrum bei, sondern auch Höcke. Im Publikum befanden sich der Antifa-Recherchegruppe Jena – Saale-Holzland-Kreis zufolge außerdem ein bekannter Reichsbürger und der rechtsextreme Burschenschafter Ron Schade. In seiner Rede erwähnte Höcke nicht die bevorstehenden Landratswahl, sondern wetterte gegen die »Scheindemokratie in der BRD« und bezeichnete den Milliardär und Philanthropen George Soros als einen jener globalen »Strippenziehern mit sehr viel Geld«, welche die ­eigentlichen »Gegner« seien.