Die Rolle von Söldnern der Gruppe Wagner in Mali

Afrika jetzt noch freier

Der Gründer der Gruppe Wagner, Jewgenij Prigoschin, spuckt große Töne, aber die Bilanz seiner Söldner im Kampf gegen die Jihadisten in Mali ist ein Desaster.
Kommentar Von

Der Gründer der Söldnergruppe Wagner, Jewgenij Prigoschin, hat sich in einem neuen Video zu Wort gemeldet. »Wir arbeiten. Die Temperatur beträgt mehr als 50 Grad«, sagt er in dem Video, in dem er in Tarnkleidung mit einem Sturmgewehr in der Hand zu sehen ist. Seine Truppe, so Prigoschin, führe Aufklärungsarbeiten durch. »Sie macht Russland noch größer auf allen Kontinenten. Und Afrika noch freier.« Die Wagner-Söldner machten das Leben der Mitglieder des »Islamischen Staats« (IS) und von al-Qaida zum Alptraum, so die Botschaft.

Das entspricht nicht unbedingt der Realität. Neue Recherchen der französischen Zeitung Le Monde belegen das Gegenteil. Zumindest für Mali, wo Söldner der Wagner-Gruppe seit Herbst 2021 der Hauptpartner der Militärjunta im Kampf gegen die Jihadisten sind; faktisch haben die Söldner die Soldaten der französischen Operation Barkhane ersetzt, die seit 2014 in Mali gegen die Jihadisten vorgingen und ihre letzte Basis in Mali vor einem Jahr auflösten.

Die Junta leugnet die Wagner-Präsenz in Mali noch immer, ihr zufolge sind lediglich russische Instrukteure im Rahmen der Kooperation mit der russischen Regierung im Land. Aber im April gab Prigoschin Operationen Wagners in Mali zu, dort hätten sich der IS und al-Qaida gegen Wagner verbündet.

Le Monde hat Satellitenbilder ausgewertet, die den Ausbau einer Wagner-Basis am Flughafen der malischen Hauptstadt Bamako von Oktober 2021 bis Juli 2023 belegen, mittlerweile sind fünf Baracken, etwa zehn große Zelte und Fahrzeuge dort erkennbar; insgesamt existieren demnach sieben Wagner-Basen in Zentralmali mit ähnlichem Equipment. Amerikanischen und europäischen diplomatischen Quellen zufolge waren im Mai rund 1 600 russische Söldner in Mali anwesend.

Die Gewalt der Jihadisten hat seit Ankunft der Wagner-Söldner in Mali ungeahnte Höhen erreicht.

Doch die Gewalt der Jihadisten hat seit Ankunft der Söldner in Mali ungeahnte Höhen erreicht. Le Monde hat dazu Daten der NGO Acled ausgewertet. Demzufolge war der IS-Ableger in Mali 2022 für den Tod von 688 Zivilisten verantwortlich, fünfmal so viele wie es im Durchschnitt der vier Jahre vor Wagners Ankunft waren, der al-Qaida-Ableger JNIM verantwortete mit 590 toten Zivilisten etwa dreieinhalb mal so viele im selben Vergleichszeitraum. Der Grund dafür ist Le Monde zufolge, dass die Wagner-Truppen über weniger Luftunterstützung verfügen als die Operation Barkhane und vor ­allem in einem Gebiet operieren – in den Regionen Ségou und Mopti –, wo die Jihadisten nicht übermäßig aktiv seien.

Zudem ist die Anzahl der von der Wagner-Truppe und der malischen Armee getöteten Zivilisten sehr hoch, von Januar 2022 bis Juni 2023 waren es nach Angaben von Acled 957 Menschen. Massaker wie in dem Dorf Moura im März 2022, wo nach UN-Angaben 500 Menschen getötet und 58 Frauen vergewaltigt wurden, sind de facto willkommene Rekrutierungshilfen für die Jihadisten.

Kurz, der Kampf der Wagner-Söldner gegen die Jihadisten ist ein noch weit größeres Desaster, als es die Operation zuvor je war.

Die hatte die Ausweitung des jihadistischen Einflusses in der Region nicht verhindern können, und ihre Mängel dienten den Putschisten in Mali, Burkina Faso und nun auch Niger als Begründung dafür, sich von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich ab- und Russland zuzuwenden. Das hat den Vorteil für die Militärjuntas, dass sie kein Genörgel über ihre autoritäre Politik oder Forderungen nach einer schleunigen Rückkehr zu zivilen Regierungen hören müssen. Und Figuren wie Prigoschin versetzt es in die Lage, sich als berufene Experten für einen zeitgemäßen Antikolonialismus zu profilieren: Der Putsch der hohen Offiziere in Niger war ihm zufolge »nichts anderes als der Kampf des nigrischen Volks mit seinen Kolonialherren«.