Der bayerische Landesvater Franz Josef Strauß war den Landeskindern ein schlechtes Vorbild

Strauß und der Nationalsozialismus: »Die zwölf Jahre«

Zeitlebens nach eigenem Bekunden ein Deutschnationaler, hatte CSU-Urvater Franz Josef Strauß eine im Vergleich zu anderen Spitzenpolitikern der BRD bescheidene NS-Karriere gemacht. Dennoch gehörte er zu jenen Rechten, die genügend politische Gemeinsamkeiten mit Hitler hatten, um ihm zu folgen, später nie Reue bekundeten und weiterhin ihre antisemitischen und rassistischen Ressentiments äußerten.
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Die zweite Hälfte der achtziger Jahre brachte für deutsche Rechte eine Zumutung. Am 8. Mai 1985 hatte Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Bundestag ein wenig Basiswissen über den Nationalsozialismus referiert, der Mehrheit der Deutschen zugeschrieben, sie hätten »geglaubt, für die gute Sache des eigenen Landes zu kämpfen und zu leiden«, aber von einem »Tag der Befreiung« gesprochen.

Weizsäckers CDU-Mitgliedschaft ruhte während seiner Amtszeit, doch war klar, dass er als Konservativer sprach und ­einen Abschied von jenem rechten Konsens forderte, den Franz Josef Strauß (CSU) 1961 in einer Attacke auf den SPD-Politiker Willy Brandt so formuliert hatte: »Was haben Sie zwölf Jahre lang draußen gemacht? Wir wissen, was wir drinnen gemacht haben.«

»Die zwölf Jahre« war der beliebteste Euphemismus für die NS-Herrschaft – eine wertneutrale Formulierung, die zu verstehen gab, dass es sich um einen recht kurzen Zeitraum gehandelt habe, von dem man nicht so viel Aufhebens machen sollte. »Wir wollen von niemandem mehr, weder von Washington noch von Moskau, von keinem europäischen Nachbarn, auch nicht von Tel Aviv, ständig an unsere Vergangenheit erinnert werden«, sagte Strauß 1977.

Genscher sei »eine armenische Mischung aus marokkanischem Teppichhändler, türkischem Rosinenhändler, griechischem Schiffsmakler und jüdischem Geldverleiher und ein Sachse«, sagte Strauß 1978.

Andererseits aber sollten »die zwölf Jahre« doch nicht vergessen werden, wenn es um patriotische Zuverlässigkeit ging. Wer »draußen« war – ins Exil geflüchtet wie Brandt oder etwa als kommunistischer Widerstandskämpfer außerhalb der »Volksgemeinschaft« stehend –, galt als Verräter. Strauß wusste, wie da Abhilfe zu schaffen sei. »Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören – in ihre Löcher«, sagte er 1974.

Zeitlebens nach eigenem Bekunden ein Deutschnationaler, hatte Strauß eine im Vergleich zu anderen Spitzenpolitikern der BRD bescheidene NS-Karriere gemacht. Er war dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps beigetreten und hatte es in der Wehrmacht zum Oberleutnant gebracht. Damit galt er in der BRD als politisch unbelastet. Doch gehörte er zu jenen Rechten, die genügend politische Gemeinsamkeiten mit Hitler hatten, um ihm zu folgen, später nie Reue bekundeten und weiterhin ihre antisemitischen und rassistischen Ressentiments äußerten. Hans-Dietrich Genscher (FDP, damals Außenminister) sei »eine armenische Mischung aus marokkanischem Teppichhändler, türkischem Rosinenhändler, griechischem Schiffsmakler und jüdischem Geldverleiher und ein Sachse«, sagte Strauß 1978.

Mitte der achtziger Jahre begannen die Verhandlungen über die Umwandlung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in das Staatenbündnis Europäische Union, die angestrebte deutsche Führungsrolle erforderte ein neues öffentliches Geschichtsbild. Rechtsextreme empfanden das als Verrat, in Bayern reagierten einige auch jüngere Landeskinder, von denen eines später Vizeministerpräsident des Freistaats werden sollte, mit noch abscheulicheren Varianten deutschen Humors, als sie Strauß zum Besten gegeben hatte. Bei aller gebotenen Kritik an solchen Landeskindern sollte der Landesvater Strauß nicht vergessen werden. Er wird von der CSU weiterhin wie ein Heiliger verehrt, seine Hassreden gelten als die volksnahe Ausdrucksweise eines zuweilen temperamentvollen Staatsmannes.