Der Lohnbetrug von Subunternehmen in der Lieferbranche geht weiter

Kein Urteil gegen Wolt

Zwei Lieferfahrer wurden von einem Subunternehmen angeheuert, um für den Lieferdienst Wolt Essen auszufahren. Als der Subunternehmer ihnen Löhne schuldig blieb, versuchten sie, das Geld direkt von Wolt einzuklagen – ohne Erfolg.

Kurz vor Ende der Verhandlung am Donnerstag vergangener Woche kam es doch noch zu einem Vergleich. Nach einem kurzen Telefonat mit ihrem Mandanten stimmte die Anwältin des Lieferdiensts Wolt zu.

Ein Lieferfahrer hat vor dem Arbeitsgericht Berlin gegen den finnischen Konzern geklagt: 3.000 Euro Lohn sei ihm sein Arbeitgeber schuldig, hinzu komme Trinkgeld, das nie beim Fahrer angekommen sei. Der Haken ist: Wolt bestreitet, der Arbeitgeber des Fahrers zu sein. Denn der war bei dem Subunternehmen GB Trans angestellt.

Davon will der Fahrer allerdings erst erfahren haben, als er keinen Lohn mehr erhalten habe, weil GB Trans Insolvenz angemeldet hatte. Er habe auf eine Annonce geantwortet, die Fahrer – auch Rider genannt – für Wolt gesucht habe, und sei dann von einem Geschäftsmann aus Berlin-Neukölln, der in einem Handy-Laden tätig war, angeheuert worden. Arbeitsaufträge habe der Lieferfahrer über die Wolt-App erhalten, von Kunden, die ihr Essen über Wolt bestellten. Bei der Auslieferung habe er die Jacke des finnischen Konzerns getragen, mit der er am Tag der Verhandlung auch im Saal des Arbeitsgerichts saß.

Der Fahrer und ein Kollege, der die gleichen Vorwürfe erhebt, haben vor dem Landesarbeitsgericht Berlin geklagt. Sie wollten feststellen lassen, dass Wolt ihnen Lohn schuldig sei, weil ein Arbeitsvertrag zwischen ihnen und dem Unternehmen bestanden habe.

»Bestimmte Arbeitgeber versuchen zunehmend, Grauzonen zu kreieren. Dort agieren dann, zumindest offiziell, andere Marktteilnehmer, nämlich die Subunternehmer. Der Profit geht aber zum Konzern.« Martin Bechert, Rechtsanwalt

Das nachzuweisen, ist ihnen nach Ansicht des Gerichts allerdings nicht gelungen. So endete das Verfahren mit einem Vergleich, bei dem Wolt zwar 1.000 Euro zahlte – zur »sozialen Überbrückungshilfe«, so die Formulierung, auf die man sich einigte –, aber beide Parteien anerkennen, dass ein Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat.

Der Rechtsanwalt Martin Bechert, der die klagenden Fahrer vertreten hat, ist dennoch zufrieden mit dem Ausgang der Verhandlung. »Wir hatten zwei Ziele: Wir wollten Geld für die Rider und wir wollten, dass bekannt wird, welche unmöglichen Verhältnisse bei Wolt herrschen«, sagte Bechert der Jungle World. Dass Wolt sich überhaupt auf eine Zahlung eingelassen hat, sei schon ein Fortschritt, denn bei vorherigen Terminen seien »sie noch zu keinem Vergleich bereit« gewesen, so Bechert. Auf weitere Verfahren hat ein Vergleich, anders als ein Urteil, allerdings keine Auswirkungen.

Der Richter sagte dem Fahrer, er könne sich sein Geld über die Agentur für Arbeit besorgen. Da das Subunternehmen GB Trans insolvent ist, stehe ihm als Arbeitnehmer Insolvenzgeld zu. Dafür müsste der Fahrer allerdings einen Arbeitsvertrag vorlegen. Einen solchen habe er aber nie erhalten, sagte er vor Gericht aus. Auch der Aufenthaltsort des Neuköllner Geschäftsmanns sei unbekannt, weshalb er nicht zur Verhandlung geladen werden konnte. Die Wolt-Anwältin Erika Schneider sagte vor Gericht, ihr Mandant habe den Subunternehmer wegen seiner Geschäftspraktiken angezeigt.

»Bestimmte Arbeitgeber versuchen zunehmend, Grauzonen zu kreieren. Dort agieren dann, zumindest offiziell, andere Marktteilnehmer, nämlich die Subunternehmer. Der Profit geht aber zum Konzern«, sagt Rechtsanwalt Bechert. Das lasse sich auch in anderen Branchen beobachten, zum Beispiel bei Paketdiensten oder der Fleischindustrie.

Besonders gefährdet durch solche Geschäftspraktiken seien migrantische Arbeitnehmer. Sie seien mit dem deutschen Arbeitsrecht oft nicht vertraut, so Bechert. Dass ein Lieferfahrer, wie in der vergangenen Woche, vors Arbeitsgericht zieht, sei sehr selten.

Wolt arbeitet offenbar nach wie vor mit Subunternehmen zusammen. Zwar gibt der Konzern auf seiner Website an, Fahrer zu suchen – doch bewirbt man sich dort von Berlin aus, heißt es, man suche derzeit niemanden für die Stadt. Ein Subunternehmen, das auf dem Webportal Kleinanzeigen.de (früher Ebay Kleinanzeigen) als »offizieller Wolt-Partner« nach Personal in Berlin sucht, reagiert anders: Schreibt man die dort angegebene Nummer an, kommt die Frage zurück, ob man gleich diese Woche anfangen könne. Auf der Wolt-Website wird ein Gehalt von »je nach Leistung bis zu 18 bis 22 Euro pro Stunde« versprochen. Der inserierende Subunternehmer hingegen bietet ein Gehalt von »durchschnittlich 14,28 Euro die Stunde« an.