Pink ist eine schwule Farbe

Rosa ist für alle da

Es war nicht immer so, dass Blau als Farbe für Jungs und Rosa als Farbe für Mädchen galt. Diese Zuordnung setzte sich erst im 20. Jahrhundert durch – und es ist überfällig, mit ihr zu brechen.
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Die Wechselhaftigkeit der Mode ist eigentlich nichts, worüber man sich wundern müsste. Betrachtet man allerdings die Vehemenz, mit der Mädchen rosa Kleidchen mit »Hello Kitty«- oder »Prinzessin Lillifee«-Motiven verpasst bekommen, die nun im Kinofilm »Barbie« noch übertrumpft wird, mag man an die Unumstößlichkeit der Farbcodierung glauben. Trotz mehrerer Wellen feministischer Emanzipation, trotz Gender-Mainstreaming und queeren Diskursen erscheint die geschlechtliche Zuordnung der Farben als feste Größe. Dabei war sie nicht immer so wie heute.

Blau galt im christlichen Europa als himmlische Farbe, daher wählte man für Mariendarstellungen gern ein blaues Gewand. Adlige erstgeborene Jungen hingegen wurden oft in rosaroter Kleidung gemalt, da man Rosa als das »kleine Rot« ansah und die Si­gnalfarbe Rot Männlichkeit symbolisierte. Die Farbe der Kleidung war aber vor allem eine Frage des Standes und der finanziellen Mittel; das änderte sich erst mit der Industrialisierung, die auch zuvor exklusive Farben verfügbar machte. Rosa galt noch lange nicht als feminin, die Fußballer von Juventus Turin trugen bis 1903 Pink.

Rosa wurde zur Farbe der Emanzipation, bevor die Regenbogenflagge aufkam – eine frühe Version enthielt auch einen pinken Streifen.

Der Wechsel zu einer neuen Farbenordnung begann vor rund 80 bis 100 Jahren. Wegen neuer Kampfformen wurden auffällige Farben wie Rot nicht mehr für Infanterieuniformen verwendet, das Soldatische wurde nun eher mit gedeckten Farben assoziiert. Matrosenblau und der Blaumann der Arbeiter rückten als Symbol männlichen Tatendrangs ins kollektive Bewusstsein. Rosa hingegen wurde zur Mädchenfarbe. Mode und Marketing taten ein Übriges und prägten Kundenwünsche. Sie schufen jenen Trend, der im rosa Übermaß von »Barbie« & Co. seine bisherige Krönung erfuhr. Diese klare Zuordnung bringt man am wirkungsvollsten durcheinander, indem man Rosa für alle freigibt.

Rosa hat auch eine schwule Geschichte. Die Nationalsozialisten kennzeichneten mit einem rosafarbenen, nach unten zeigenden Dreieck in den Konzentrationslagern Gefangene, die dort aufgrund ihrer (vermeintlichen) Homosexualität einsaßen: der Rosa Winkel. Seit den siebziger Jahren eignete sich die Schwulenbewegung dieses Symbol an und Rosa wurde zur Farbe der Emanzipation, bevor die Regenbogenflagge aufkam – eine frühe Version enthielt auch einen pinken Streifen. Und auch danach blieb die Farbe ein Symbol, wie Namen für queere und homosexuelle Vereine wie Rosalinde und Rosa Hilfe oder Chor Rosa zeigen. Mehrere der nationalsozialistischen Verfolgung von Schwulen und Lesben gewidmete Mahnmale verwenden den Rosa Winkel.

Darum sollte die Farbe nicht ausschließlich kleinen Mädchen und »Barbie«-Fans überlassen werden. Sie quietscht förmlich danach, ihre Aneignung durch andere Gruppen fortzusetzen. Gut gekleidet ist man damit auch. Wer findet denn Flamingos hässlich? Jeder mag sie. Für Männer ist sie eine gute Couleur für den Kampf gegen die Reaktion. Die sieht schließlich von kleinsten Anlässen die wehrhafte Männlichkeit bedroht. Ein Mann in Rosa könnte sie vielleicht schon etwas erschüttern. Wenn man die fragilen Egos der Möchtegern-Draufgänger mit so simplen Mitteln aus der Fassung bringen und verunsichern kann – und dabei noch bella figura macht – warum das nicht auskosten?