»Die Zeit des Wartens ist vorbei«
Sie streben einen neuen Volksentscheid an. Was ist diesmal anders?
Wir haben entschieden, einen Gesetzesvolksentscheid zu organisieren. Damit stimmen wir Berliner:innen über ein konkretes Gesetz ab, das direkt in Kraft treten würde. Die Zeit des Wartens auf den Senat ist vorbei. Wir wollen, dass die Vergesellschaftung endlich umgesetzt wird. Auch sonst gibt es viel zu tun: Seit einiger Zeit sind wir dabei, durch Organizing und lokale Bündnisarbeit die Mieter:innennetzwerke in den Kiezen wieder auszubauen. Einer Umsetzung des Volksentscheids kommen wir nur durch eine starke Mietenbewegung näher.
Was waren die Kernaussagen des Abschlussberichts der »Expertenkommission Vergesellschaftung«?
Die Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass die Vergesellschaftung von großen Wohnungskonzernen rechtlich möglich, finanzierbar und das beste Mittel gegen den Berliner Mietenwahnsinn ist. Der Bericht zeigt, dass Vergesellschaftung demokratischen, bezahlbaren Wohnraum schafft, dass deutlich unter Marktwert entschädigt werden kann und die Beschränkung auf profitorientierte Unternehmen mit mehr als 3 000 Wohnungen rechtmäßig ist. Auch nach EU-Recht stehe der Vergesellschaftung nichts entgegen. Und die Kommission sagt auch: Alle anderen wohnungspolitischen Mittel sind ausgeschöpft, es bleibt uns nur noch die Vergesellschaftung.
Hatten Sie mit diesem Ergebnis gerechnet?
Wir haben unseren Vorschlag selbst ausführlich rechtlich geprüft und sind immer davon ausgegangen, dass er verfassungsgemäß ist. Dass der Bericht so deutlich ausfällt und auch klar darstellt, warum beispielsweise Neubau allein keine Lösung ist, freut uns natürlich.
Es gab in dem Gutachten auch von der Mehrheit abweichende Sondervoten. Was sagen diese aus?
Bei den Kapiteln Verhältnismäßigkeit und Entschädigung gab es Sondervoten. Zur Verhältnismäßigkeit sagen die Verfasser der Sondervoten, dass ihnen Daten zum Wohnungsmarkt und den möglichen Auswirkungen einer Vergesellschaftung gefehlt haben und sie keine finale Bewertung abgeben können. Bei der Entschädigung sind die Verfasser der Meinung, dass der Verkehrswert zugrunde gelegt werden muss. Von diesem sind jedoch Abschläge möglich, es muss also nicht der volle Marktpreis gezahlt werden. Keines der Sondervoten zweifelt die grundsätzliche rechtliche Machbarkeit der Vergesellschaftung an.
Solange die CDU und die SPD gemeinsam Berlin regieren, scheint es praktisch ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber die Vergesellschaftung durchsetzt. Was ist von dem Rahmengesetz für die Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen zu halten, dass SPD und CDU in einem Jahr vorlegen wollen, das aber erst zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten und davor vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden soll?
Das Rahmengesetz ist juristischer Unsinn und nichts als ein neuer Verschiebebahnhof für die Vergesellschaftung.