Im bayerischen Landtag sitzen zwei AfD-Politiker, die Probleme mit der Justiz haben

Ein Fall für den Staatsanwalt

Zwei bayerische AfD-Politiker haben Probleme mit der Justiz. Beide sitzen seit dem 31. Oktober im bayerischen Landtag.

Am Samstag, dem 4. November, trafen sich in Erlangen, im Haus der Erlanger Burschenschaft Frankonia, AfD-Mitglieder, Funktionäre des AfD-Jugendverbandes Junge Alternative (JA), Aktivisten der Identitären Bewegung, Burschenschaftler und Neonazis aus dem Rechtsrock- und Kameradschaftsmilieu. Eine Veranstaltung, wie sie nicht un­typisch ist für ein burschenschaftliches Milieu, das an der Vernetzung von Neuer Rechter, traditioneller Neonazi-Szene und AfD arbeitet.

Normalerweise hätte die Veranstaltung höchstens einige Journalist:innen und Antifas interessiert, die genau diese Vernetzungsbemühungen seit Jahren beobachten. Diesmal jedoch erregte die Veranstaltung mehr öffentliches Interesse. Der Grund dafür war ein Besucher, Daniel Halemba, derzeit jüngster Abgeordneter des bayerischen Landtages und Mitglied der AfD-Fraktion. Der 22jährige hatte für Schlagzeilen gesorgt, weil er am 30. Oktober wenige Stunden vor Beginn der konstituierenden Sitzung des neugewählten Landtages festgenommen worden war. Vorgeworfen wird ihm Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Die Partei sieht darin einen »herbeikonstruierten« Haftgrund.

Anlass des Verfahrens ist eine Hausdurchsuchung bei der Prager Burschenschaft Teutonia zu Würzburg, deren Mitglied Halemba ist und in deren Korporationshaus er ein Zimmer hat. Die Ende des 19. Jahrhunderts von deutschen Studenten in Prag gegründete Verbindung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in den fünfziger Jahren in Nürnberg wiederbelebt, zog später nach ­Erlangen und Regensburg weiter und ließ sich 2009 in Würzburg nieder.

Wie die Erlangener Frankonia gehört sie dem Dachverband Deutsche Burschenschaft an, in dem sich der am weitesten rechts stehenden Korporationen des deutschen und österreichischen Verbindungswesens sammeln. Nach den Austritten der Burschenschaften Arminia (1996), Germania (2008), Cimbria (2008) und Adelphia (2011) ist Halembas Studentenverbindung die letzte Würzburger Burschenschaft, die dem Dachverband angehört.

Während die AfD in Bayern hände­ringend qualifiziertes Personal sucht, um Mandate und Mitarbeiter­stellen zu besetzen, interessieren sich rechtsextreme Akademiker genau für diese Posten.

Die Ermittler durchsuchten das Verbindungshaus Mitte September, weil sie vermuteten, dass sich dort Gegenstände mit Kennzeichen der Partei der Nationalsozialisten, der NSDAP, sowie rassistische Aufkleber und Schriften befinden könnten. Zuvor hatten sich bereits Nachbar:innen an die Polizei gewendet. Bei Feiern der Burschenschaft seien wiederholt »Sieg Heil«-Rufe zu hören gewesen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Würzburg stellte die Polizei bei der Razzia ein Gästebuch des Hauses sicher, in dem Halemba mit »Sieg Heil!« unterzeichnet haben soll. Zudem habe sich in seinem Zimmer an »prominenter Stelle« ein Nachdruck eines Befehls des Reichsführers SS, Heinrich Himmler, befunden, in dem dieser die SS-Männer aufforderte, vor dem Fronteinsatz möglichst viele arische Kinder zu zeugen. Auch mehrere Schlagringe, eine Machete, Schlagstöcke, ein Einhandmesser und eine Schreckschusswaffe sind mehreren Medienberichten zufolge im Haus gefunden worden.

Die Festnahme am 30. Oktober erfolgte, weil befürchtet wurde, Halemba könnte Zeugen beeinflussen oder Beweismittel vernichten, nachdem er »tagelang« untergetaucht gewesen sei. Halemba wurde durch Entscheidung des Amtsgerichtes Würzburg noch am selben Tag, allerdings erst nach Ende der Landtagssitzung, unter Auflagen aus dem Gewahrsam entlassen. Zur Vermeidung einer Flucht ist er verpflichtet, sich wöchentlich bei der Polizei in Würzburg zu melden. Des Weiteren darf er, um nicht potentielle Zeugen zu beeinflussen, keinen Kontakt zu Mitgliedern seiner Burschenschaft haben. Mit seinem Besuch bei der Erlanger Frankonia wollte Halemba sich offensichtlich als ungebrochen und durch die Justiz nicht einschüchterbar inszenieren, ohne das Risiko eines Auflagenverstoßes einzugehen. Szenekenner werten seinen Auftritt in Erlangen im Gespräch mit Focus als »eindeutiges« Signal, in welchem Milieu sich der Jungpolitiker bewegt.

Das rigide Vorgehen der Justiz überrascht. Die Halemba vorgeworfenen Delikte werden in der Regel mit Geldstrafen geahndet, und dass der Besitz des faksimilierten Himmler-Befehls strafbar ist, erscheint fraglich. Auch ob es schon als »Abtauchen« gewertet werden kann, wenn ein Landtagsabgeordneter für die Ermittlungsbehörden einige Tage lang nicht erreichbar ist, ist zumindest zweifelhaft. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Agieren der Staatsanwaltschaft in diesem Fall von dem alten Anspruch der bayerischen Staatspartei CSU geleitet wurde, dass es rechts von dieser keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe. Doch das ist nicht das einzige Bemerkenswerte an diesem Fall.

Einer Recherche von T-Online zufolge verdankt Halemba seinen Einzug in den Landtag einem aggressiv agierenden Netzwerk von Burschenschaftlern in der AfD. Demnach sei der bis dahin in der Partei unbekannte Halemba mit einigen anderen Neumitgliedern Ende 2022 bei der Wahlversammlung des AfD-Kreisverbandes Unterfranken Nord in Bad Kissingen erschienen, um sich als Kandidat für die Landtagswahlen zu bewerben. Die mitgebrachten neuen Mitglieder, die ebenfalls mit dem Burschenschaftsmilieu zu tun haben sollen, hätten dafür gesorgt, dass eine Mehrheit für Halemba zustande kam. Parteimitglieder, die dagegen protestierten, seien durch den Burschenschaftlern nahestehende Juristen eingeschüchtert worden. Die Führung des Landesverbands duldete der Recherche zufolge dieses Agieren zumindest, dem offiziell aufgelösten völkischen »Flügel« nahestehende Funktionäre förderten ausdrücklich die Parteikarrieren der jungrechten Akademiker.

Das verwundert nicht, hat sich mit den parlamentarischen Erfolgen der AfD doch eine Situation herausgebildet, in der die Interessen der Parteiführung mit denen rechtsextremer Burschenschaftler übereinstimmen. Während die Partei händeringend qualifiziertes Personal sucht, um Mandate und Mitarbeiterstellen zu besetzen, interessieren sich rechtsextreme Akademiker ­genau für diese Posten. Darüber hinaus sind die Netzwerke der Burschenschaften für die Partei von Interesse, während sich die Burschenschaften vom Agieren in der AfD den Ausbruch aus der gesellschaftlichen Nische versprechen, in der sie infolge der gesellschaftlichen Öffnung der Hochschulen und der Erfolge studentisch geprägter Emanzipationsbewegungen seit den sechziger Jahren stecken. Wie in Bayern zu beobachten, dürfte diese Kooperation darauf hinauslaufen, dass in der AfD rechtsex­treme und völkisch-nationale Positionen weiter gestärkt werden.

Neuere Recherchen von T-Online zeigten nun, dass auch gegen ein anderes Mitglied der bayerischen AfD-Fraktion, das Ende Oktober erstmals für die Partei in den Landtag einzog, ein Verfahren läuft. Bereits Ende April vergangenen Jahres verurteilte das Amtsgericht Weilheim demnach Rene Dierkes wegen eines Vergehens gegen das bayerische Versammlungsgesetz. Der Politiker habe bei einer Versammlung in Weilheim am 17. September 2021 ein »Reizstoffsprühgerät« mit sich geführt, was nach bayerischen Versammlungsgesetz verboten ist. Das Urteil des Amtsgerichts ist T-Online zufolge nach noch nicht rechtskräftig, Dierkes hatte Berufung eingelegt.

Eigentlich hätte laut Gericht die Berufungsverhandlung am 8. November stattfinden sollen, der Termin wurde jedoch aufgehoben. Dierkes genießt zwar keine Immunität, da das Verfahren vor seinem Mandatsantritt einge­leitet worden war, aber der Landtag hat nun ein Reklamationsrecht, mit dem er die Fortsetzung des Verfahrens bis nach Ablauf der Legislaturperiode aufschieben könnte. Es gilt aber als äußerst wahrscheinlich, dass er darauf verzichtet. Ein neuer Termin wurde wegen dieser Verfahrensregel noch nicht festgelegt.