Die Bauernproteste reißen nicht ab und richten sich vermehrt gegen die Berichterstattung

Gegen die Grünen, die Presse und andere Bauernfeinde

Die Proteste der Landwirte in Deutschland gehen in den dritten Monat. Ihr Hauptziel sind neben der Regierungskoalition inzwischen die Medien.

Proteste gegen Parteiveranstaltungen gibt es häufig, doch selten fallen sie so heftig aus, dass die Veranstaltung abgesagt werden muss. So kam es jedoch vergangene Woche für die Grünen. Bei ihrem jährlichen politischen Aschermittwoch im baden-württembergischen Biberach an der Riß sollten prominente Politiker wie der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir und die Co-Vorsitzende der Bundespartei, Ricarda Lang, auftreten. Kurzfristig wurde er aus Sicherheitsgründen abgesagt. Landwirte und ihre Unterstützer hatten in der Großen Kreisstadt Blockaden errichtet. Die Polizei setzte Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Am selben Tag wurde Ricarda Lang bei einer anderen Veranstaltung in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) von Dutzenden Menschen verfolgt und beschimpft.

Die Proteste der Bauern dauern nun schon seit drei Monaten an. Und das, obwohl die Regierung ihre Forderungen teilweise erfüllt hat. Die Streichung der KFZ-Steuerbefreiung ist schon lange vom Tisch, die Subventionen für den Agrardiesel werden nur schrittweise aufgehoben.

Auch auf EU-Ebene haben Landwirte Erfolge erzielt. Die EU-Kommission hat eine Regel ausgesetzt, der zufolge Landwirte einen kleinen Teil ihrer bewirtschafteten Fläche für den Umweltschutz brachliegen lassen müssen. Ein Gesetz, das den Einsatz von Pestiziden in der EU halbieren sollte, soll nun deutlich gelockert werden. »Unsere Bauern verdienen es, dass ihnen zugehört wird«, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) Anfang Februar im EU-Parlament. Seit Wochen protestieren Landwirte in etlichen EU-Ländern, dar­unter Frankreich, Rumänien, Spanien, Polen und den Niederlanden. In Brüssel kam es zu wiederholt zu Blockaden.

In Kempten belagerten etwa 400 Personen mit Traktoren und LKW die Zufahrt zur »Allgäuer Zeitung«, auch vor dem Bayerischen Rundfunk und dem NDR wurde protestiert.

Unterdessen haben die Proteste in Deutschland eine andere Qualität angenommen. Statt in Form großer Traktorkolonnen, die Straßen und Stadtzentren blockieren, finden sie inzwischen eher dezentral statt; teilweise erinnern sie an Flashmobs und werden kurzfristig über Telegram-Gruppen organisiert. Es beteiligen sich nicht nur Landwirte, sondern auch immer mehr Gastronomen, Spediteure, Handwerker und andere Kleinunternehmer. Das Galgensymbol ist bei den Protesten inzwischen Standard, häufig hängt am Galgen eine Ampel als Symbol für die Regierungskoalition.

Gegen diese richten sich die meisten Protestparolen, besonders gegen die Grünen. Doch auch gegen das Bürgergeld und die Unterstützung der Ukraine wird bei einigen Demonstrationen gewettert – zum Beispiel auf einer Kund­gebung unter dem Motto »Der Mittelstand steht auf!« Ende Januar in München mit über 10.000 Menschen. Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) waren ebenfalls erschienen, durften aber nicht reden, sondern nur zuhören. Aus der Menge waren »Lügenpresse«-Rufe zu vernehmen, berichtete die Süddeutsche Zeitung.

Neben den Grünen haben die Landwirte ein weiteres Feindbild gefunden: die Presse. Die Regionalzeitung Fränkischer Tag mit Sitz in Bamberg war Anfang Januar das erste betroffene Medium gewesen. Eine Handvoll Bauern hatte versucht, die Redaktion zu blockieren. Anfang Februar war ein Verteilerzentrum in Hamburg-Rahlstedt an der Reihe, von dem aus unter anderem die Hamburger Morgenpost ausgeliefert wird, später traf es die Redaktion der Nordsee-Zeitung. In Ahrensburg bei Hamburg wurde die Auslieferung von Zeitungen verhindert, die in einer Druckerei des Springer-Verlags hergestellt wurden. In Kempten belagerte eine Menge von etwa 400 Personen mit Traktoren und LKW die Zufahrt zur Redaktion der Allgäuer Zeitung. Die Polizei sagte, dort sei »eine Grenze überschritten« worden.

Auch vor dem Fernsehstudio des Bayerischen Rundfunks in Unterföhring bei München sowie dem Landesfunkhaus des NDR in Hannover wurde protestiert. Die Bauern verlangen eine andere Berichterstattung: Es werde zu wenig über ihre Proteste berichtet und ihnen würde fälschlicherweise eine Nähe zu Rechtspopulisten und Rechtsextremen unterstellt.

Die Freien Bauer sind gegen »Wachstumswahn und Ökoterror«, gegen »Tierrechtler, Technokraten und Kontrolleure«, lehnen Gentechnik ab, wollen sich »nur für unsere bäuerlichen Familienbetriebe« und gegen »überregionale Investoren« einsetzen.

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) verurteilte das Vorgehen gegen die Presse. In offiziellen Erklärungen distanzierte sich der Deutsche Bauernverband (DBV) von solchen Aktionen und verteidigte eine freie Berichterstattung. Allerdings scheinen dem DBV die Zügel zu entgleiten. Konkurrenzorganisationen wie »Freie Bauern« und »Landwirtschaft verbindet Deutschland« (LSV, nach der Vorgängerorganisation »Landwirtschaft schafft Verbindung«) schieben sich in den Vordergrund.

Die Freien Bauer sind eine Interessenvertretung bäuerlicher Familienbetriebe. Sie sind gegen »Wachstumswahn und Ökoterror«, gegen »Tierrechtler, Technokraten und Kontrolleure«, lehnen Gentechnik ab, wollen sich »nur für unsere bäuerlichen Familienbetriebe« und gegen »überregionale Investoren« einsetzen, Subventionen soll es nur für »ortsansässige Landwirte« geben.

Eine größere Rolle spielt der LSV, der die bundesweite Aktionswoche der Landwirte Anfang Januar mitorganisiert hat. Der Verband hat angekündigt, juristisch gegen die Presse vorzugehen, weil diese dem LSV vorwerfen würde, rechtspopulistische bis rechtsextreme Positionen zu vertreten, insbesondere der Bundessprecher Anthony Robert Lee. »Diese Anschuldigungen wurden ohne jegliche Beweisgrundlage erhoben«, hieß es in einer Erklärung von LSV. Die Freien Wähler Niedersachsen, für die Lee bei der Europawahl kandidiert, sprach von »abstrusen und diffamierenden« Berichten.

Der NDR und andere Medien hatten thematisiert, dass Lee in rechten Publikationen wie der Jungen Freiheit Gastbeiträge schrieb, bei der Werteunion aufgetreten war und, so die Taz, »ausländerfeindliche« oder »klimaskeptische« Aussagen gemacht habe. Zitiert wurde zum Beispiel Lees Behauptung, die Politiker wollten den Bauern das Land nehmen, um dort womöglich Häuser für Flüchtlinge zu bauen. Lee sagte dies Mitte Januar in einem Videointerview mit der rechten niederländischen Influencerin Eva Vlaar­dingerbroek. Sie hatte ihn gefragt, was eigentlich hinter dem »globalen Angriff« auf die Bauern stecke.