Die »Vulkangruppe« legte mit einem Anschlag die Tesla-Fabrik bei Berlin lahm

Lichterkette für den Standort

Die »Vulkangruppe« hat mit einem Brandanschlag das Tesla-Werk in Brandenburg lahmgelegt. Ihr Bekennerschreiben strotzt vor schräger Rhetorik, eine vernünftige Kapitalismuskritik findet sich darin nicht.

Die Mitglieder der Letzten Generation wurden als »Ökoterroristen« und »Klima-RAF« verunglimpft, weil sie sich an Straßenkreuzungen festklebten. Wie schwer es ist, diese Invektiven noch zu steigern, zeigten die Reaktionen auf den Brandanschlag auf einen Strommast, der am Dienstag vergangener Woche das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin fast eine Woche lang lahmlegte.

Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von Terrorismus, die Bild-Zeitung titelte mit »Öko-Terrorismus« und lieferte eine Anleitung zur Aktion, die dem Bekennerschreiben entnommen sein könnte. Unternehmerverbände wie die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderten, der Staat müsse die »kritische« Infrastruktur besser schützen. Einen »Gau für den Investitionsstandort« und »Imageschaden für den Standort Deutschland«, beklagte Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch-Gladbach in der Welt. Die Tat müsse scharf verfolgt und bestraft werden.

Die Vulkangruppe, die die Aktion für sich reklamierte, schrieb in ihrem Bekennerschreiben davon, ein »Leuchtfeuer gegen Kapital, Patriarchat, Kolonialismus und Tesla entzündet« zu haben – der »fortwährenden Vergewaltigung der Erde begegnen wir mit Sabotage«.

Das Bekennerschreiben verliert kein Wort darüber, dass Tesla in Grünheide besonders gewerkschaftsfeindlich auftritt und die Arbeitsbedingungen als miserabel gelten.

Das umfangreiche Schreiben enthält Argumente gegen die Tesla-Fabrik, die längst von der lokalen Bürgerinitiative Grünheide formuliert wurden: der gerodete Wald, der enorme Verbrauch von Trinkwasser und die Verschmutzung des Grundwassers mit Schadstoffen. Die Bürgerinitiative protestierte gegen den Bau der Fabrik und setzt sich nun gegen einen geplanten Ausbau des Werks ein.

Das Bekennerschreiben verweist außerdem auf den Abbau von Rohstoffen wie Lithium in Ländern wie Chile oder Bolivien, der mit der Vertreibung von Menschen von ihrem Land und der Vergiftung der ökologischen Lebensgrundlagen einhergehe. Auch das ist zwar nicht originell, aber richtig: die Produktion von Elektroautos ist keineswegs ökologisch.

Ford, VW und eine peinliche Herleitung

Darüber hinaus kapriziert sich die Vulkangruppe auf das SUV, die »fahrenden Panzer« von Tesla, die »Kriegsgerät« seien. Allerdings werden in Grünheide nicht die richtig großen Karossen produziert, sondern das Model Y, ein Mittelklasse-Coupé. Kein Wort verliert das Bekennerschreiben darüber, dass Tesla in Grünheide besonders gewerkschaftsfeindlich auftritt und die Arbeitsbedingungen als miserabel gelten.

Misslungen ist der Versuch, den Anschlag mit einem ganz großen Panorama kapitalistischer Destruktivität in Vergangenheit und Gegenwart zu begründen. Peinlich ist die verkehrte Herleitung, der US-Fabrikant Henry Ford habe bei der Autoproduktion von VW in Wolfsburg gelernt. Bei Ford wurden Autos schon 1913 am Fließband produziert, als das in Deutschland noch in Handarbeit geschah und noch die Kühe auf der Weide grasten, auf der das nationalsozialistische Volkswagenwerk erst 1938 gebaut werden sollte.

Das heute bestehende Dominanzverhältnis zwischen ökonomisch starken Staaten und den verarmten Weltregionen lässt sich durch den Begriff Kolonialismus nicht erfassen.

Falsch ist außerdem, von Kolonialismus zu sprechen. Der Begriff bezeichnet eine spezifische Herrschaftsform – die direkte politische Beherrschung eines fremden Gebiets zunächst durch europäische Mächte, später auch die USA und Japan –, die es praktisch nicht mehr gibt. Die ehemaligen Kolonien sind längst als unabhängige Nationen Teil der internationalen Staatenkonkurrenz, wenngleich sie in diese aufgrund der kolonialen Vergangenheit meist von vornherein mit gravierenden Nachteilen eintraten. Das heute bestehende Dominanzverhältnis zwischen ökonomisch starken Staaten – manche von ihnen sind selbst ehemalige Kolonien wie etwa Südkorea oder ehemalige Halbkolonien wie China – und den verarmten Weltregionen lässt sich durch den Begriff Kolonialismus nicht erfassen.

Die Person Elon Musk gibt für Anwürfe jede Menge her. Es ist auch nicht falsch, ihn anzugreifen, er ist der Geschäftsführer des Unternehmens. Er galt außerdem als reichster Mensch der Welt, bis Jeff Bezos (Amazon) ihn kürzlich überholte, und vertritt reaktionäre, zum Teil antisemitische Positionen.

Aber das Bekennerschreiben neigt zu patriarchaler Naturmystik und Personalisierung. Musk erscheint als der große, gierige Schurke, der Egomane, der »Technofaschist«; er wolle erobernd und ungefragt in neue Gefilde vorstoßen, die Erde »penetrieren«, heißt es.

Sexualisierte Anklagen: Vergewaltigung von Mutter Erde

Solche sexualisierten Anklagen finden sich mehrfach: Die Erde werde »vergewaltigt«, vor allem von Musk. »In den Weltraum, in die Himmel, in den öffentlichen Raum, in unsere Köpfe – nichts lässt der Vergewaltiger unberührt«, heißt es. Die Erde ist aber kein Lebewesen, gar Mutter Gaia, sondern ein Planet mit einer ökologischen Nische für Menschen. Und für die Umweltzerstörung ist nicht ein Größenwahnsinniger verantwortlich, sondern das weltweite kapitalistische Wirtschaftssystem.

Die Tesla-Fabrik dient dazu, den europäischen Markt zu erobern, in einer für das deutsche Kapital zentralen Branche. Statt diesen Zusammenhang zu reflektieren, wird Musk als »der neue Typus eines neoliberalen und patriarchalen, neokolonialen Raubtierkapitalisten dieses Jahrhunderts« gezeichnet. Zusätze wie Raubtier-, Turbo- oder Kasino- suggerieren, es handele sich um Auswüchse, als gäbe es einen »besseren«, einen fairen Kapitalismus, hierzulande als soziale Marktwirtschaft angepriesen.

Musk wird als »Drahtzieher« bezeichnet, als wären Regierungen bloß Marionetten. Staaten betreiben aber als ideelle Gesamtkapitalisten eine ökonomische Standortpolitik, schon weil sie finanziell davon abhängen. Die brandenburgische Landesregierung will Industrie ansiedeln, für Steuern und Arbeitsplätze und weil die Wähler das verlangen. Tesla passt obendrein zur Strategie einer vermeintlich grünen Transformation, wie sie die Bundesregierung verfolgt.

Inhaltliche Defizite, politische Fehleinschätzung

Zu allem Überfluss rügt die Vulkangruppe auch noch, Israel nutze das von Musks Raumfahrtkonzern SpaceX betriebene Satellitensystem Starlink »zum Mord in Gaza«, verliert aber kein Wort über das antisemitische Massaker vom 7. Oktober und die – realen, nicht metaphorischen – Vergewaltigungen und Folterungen durch Hamas-Terroristen.

Mit den inhaltlichen Defiziten des Bekenntnisschreibens korrespondiert die politische Fehleinschätzung. Der Protest gegen den weiteren Ausbau der Tesla-Fabrik in Grünheide war bereits relativ erfolgreich. Er wird getragen von der Bürgerinitiative und unterstützt von Umweltverbänden wie dem Naturschutzbund (Nabu), der Grünen Liga und Robin Wood, von Gruppen aus der Klimabewegung wie Ende Gelände und Extinction Rebellion und radikalen Linken.

Im Februar stimmten bei einer Bürgerbefragung in Grünheide 65 Prozent gegen die Erweiterung der Tesla-Fa­brik. Die Firma und die Landesregierung sind politisch in der Defensive. Umso dümmer ist der Anschlag auf den Hochspannungsmast. Er ist kaum geeignet, Sympathie für die Anti-Tesla-Bewegung zu fördern, zumal in der Umgebung der Strom ausfiel, auch in Lebensmittellagern, Altenheimen und Krankenhäusern, wie der Tagesspiegel unter Berufung auf die Landesregierung berichtete.

Angaben zum finanziellen Schaden für Tesla völlig spekulativ

Dass die Produktion ein paar Tage stillsteht, ist unerheblich, der Absatz stockt sowieso. Das Werk war 2023 nur zu 40 Prozent ausgelastet, berichtete der Tagesspiegel mit Verweis auf interne Dokumente. Entsprechend spekulativ sind Angaben zum finanziellen Schaden für Tesla, die in der Presse genannt werden: Während der Werkleiter von einem hohen neunstelligen Betrag sprach, rechnen andere mit rund 100 Millionen Euro Schaden, sollte die Produktion länger als eine Woche ausfallen.

Tesla wird den Verlust verschmerzen, der Protestbewegung bringt der Anschlag keinen Vorteil, entgegen der narzisstischen Selbstbespiegelung der Vulkangruppe, die von einem »Freudenfeuer der Befreiung« schwadroniert, von einem »Stillstand der Produktion der Automobilindustrie«, der als »Anfang vom Ende eine Welt der Zerstörung« abgefeiert wird. Echt jetzt? Man kennt solches Geschwätz zur Genüge: Jeder Krawall, jeder Barrikadenbau, jede klandestine Aktion wird zum Auftakt der Weltrevolution hochgejazzt. Dabei liegt derzeit nichts ferner. Wahrscheinlicher ist eine Faschisierung, in Deutschland, in Europa ebenso wie im Globalen Süden, zum Beispiel durch Hindunationalisten in Indien oder Xavier Milei in Argentinien.

Deutschland ist keine Diktatur und die Protestbewegung hat längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Deren nächste Aufgabe wäre, den Druck auf den Gemeinderat in Grünheide so zu erhöhen, dass dieser die geplante Werkserweiterung nicht genehmigt. Einen solchen Beschluss könnten übergeordnete Behörden aufheben, das wäre aber mit politischen Kosten verbunden, weil sich die Landesregierung damit offensichtlich über die kommunale Planungshoheit hinwegsetzen würde.

Der Anschlag liefert der brandenburgischen Landesregierung einen Vorwand, die inhaltliche Auseinandersetzung, die sie zu verlieren droht, auf die Metaebene, die Gewaltfrage, zu verschieben und Stimmung gegen den Protest zu machen.

Nun liefert der Anschlag der Landesregierung einen Vorwand, die inhaltliche Auseinandersetzung, die sie zu verlieren droht, auf die Metaebene, die Gewaltfrage, zu verschieben und Stimmung gegen den Protest zu machen. Die Protestbewegung hat klug pariert, sich knapp und eindeutig distanziert, aber sofort wieder auf das Thema fokussiert. »Dieser Anschlag schadet unserer Arbeit«, teilte die Bürgerinitiative mit. Eine Sprecherin der Umweltorganisationen Initiative Wassertafel wird in der Berliner Zeitung mit den Worten zitiert, der Anschlag sei »das Letzte, was wir gebrauchen konnten«.

Auf diese Kritik hat die Vulkangruppe mit einer zweiten Erklärung reagiert: Sie wolle ja viel mehr, als nur Tesla Schranken zu setzen. Damit unterstellt sie dem Protest lokale Borniertheit, dabei haben die Bürgerinitiative und ihre Verbündeten stets darauf hingewiesen, dass auch für sie Tesla ein Symbol für die Destruktivität eines »grünen« Kapitalismus darstellt. Der Widerstand erhält auch nicht erst durch den Anschlag internationale Aufmerksamkeit, wie unter anderem eine Dokumentation im italienischen Fernsehen belegt.

Man solle sich offen oder klammheimlich über den Anschlag freuen, empfiehlt die Vulkangruppe noch. Dabei hatte dieser allenfalls den schönen Nebeneffekt, dass Tesla-Arbeiter:innen ein paar Tage Extraurlaub auf Kosten der Firma bekommen. Doch viele hätten offenbar lieber gearbeitet. Am Freitagabend vergangener Woche kamen etwa 1.000 Angestellte von Tesla zu einer Veranstaltung des Betriebsrats auf das Werksgelände. »Viele von ihnen sagten, sie seien gekommen, um ihre Solidarität mit dem Unternehmen zu demonstrieren«, berichtete der RBB. Die kleine Kundgebung sei nach rund zwei Stunden mit einer gemeinsamen Lichterkette beendet worden.