Impfgegner im US-Präsidentschaftswahlkampf

Querfront gegen den Pieks

Die Impfgegnerschaft ist ein gesellschaftsfähiges Ressentiment, weil sie sich nicht nur aus rechten Quellen bedient und es ermöglicht, eine reale Gefahr projektiv durch eine imaginäre zu ersetzen.

Zu den merkwürdigsten Resultaten der Covid-19-Pandemie gehört, wie sich diese nachträglich in der öffentlichen Debatte darstellt. Im Umgang mit der Seuche bewies die herrschende Ordnung, realistisch besehen, eine bemerkenswerte Resilienz: Trotz Ausnahme­zustands brach die Versorgung nicht zusammen und nach nicht einmal einem Jahr brachte die Pharmaindustrie auch schon rettende Impfstoffe auf den Markt.

Wer aber erwartet hätte, die Protagonisten der staatlichen Gesundheits­politik könnten nun die Früchte des Erfolgs einfahren und sich, wie einst Helmut Schmidt nach der Hochwasserkatastrophe in Hamburg 1962, als Macher feiern lassen, sieht sich getäuscht. Man tritt nicht mit stolzgeschwellter Brust auf, sondern eher kleinlaut; statt sich der geretteten Menschenleben zu rühmen, räumt man Fehleinschätzungen ein und beteuert, in zukünftigen Fällen keinesfalls wieder übers Ziel hinauszuschießen. Nicht die Vertreter der liberalen Technokratie präsentieren sich, als hätte der Verlauf der Pandemie ihnen recht gegeben, sondern die Riege der Wutbürger und Querdenker – allen voran die sogenannten Impfskeptiker.

Zum Teil ist das als Reaktion wohl menschlich-allzumenschlich. Nach überstandener Gefahr blickt niemand gerne zurück. Wer will schon an die eigene Hilflosigkeit erinnert werden? Dass sich, anders als in der guten alten Zeit der Pest, bei dieser Epidemie keine Leichenberge in den Straßen türmten, gilt dann nicht etwa Beweis des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, sondern fungiert als Beleg, dass es so bedrohlich, wie von den Verantwort­lichen behauptet, nicht gewesen sein könne – und man sich also all die läs­tigen Einschränkungen gut und gerne auch hätte sparen können. Christian Drosten hat das als »Präventionsparadoxon« bezeichnet.

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