Die Forderung, Hamas-Unterstützer abzuschieben, ist zu kritisieren

Menschenrechte als Ärgernis

Deutsche Politiker wollen Hamas-Anhänger abschieben und behaupten, so ließe sich das Problem des Antisemitismus auf deutschen Straßen lösen. Doch die Forderung ignoriert die rechtlichen Vorgaben und geht auch am Problem vorbei.
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Nicht alle in Deutschland verurteilen den brutalen Überfall der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung vom 7. Oktober. Der Berliner Ableger von Samidoun etwa, einer Organisation zur Unterstützung palästinensischer Gefangener, verteilte noch am selben Tag auf der Berliner Sonnenallee Süßigkeiten, um das Massaker zu feiern.

Auf »Pro Palästina«-Demos wird immer wieder der antisemitische Vernichtungswillen der islamistischen Terrororganisation verharmlost oder gar legitimiert. Nicht selten kommt es zu Gewalt, wie am 18. Oktober in Berlin-Neukölln, wo Autos angezündet und die Polizei mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern attackiert wurde. In der Nacht auf den 18. Oktober warfen zwei Unbekannte zwei Molotow-Cocktails auf eine Synagoge in Berlin Mitte.

Der deutschen Politik fällt dazu nichts Besseres ein, als die Geschehnisse mit der bereits vorher angelaufenen »Asyldebatte« zu vermengen. In einem Interview mit dem Spiegel, das seinen Ausgang bei den Hamas-Anschlägen und dem Antisemitismus in islamisch geprägten migrantischen Milieus in Deutschland nimmt, fordert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), man müsse »im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben«. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte bei einem Besuch des Bundeskriminalamts nicht nur, antisemitische Straftaten konsequenter zu ahnden, sondern kündigte auch an, das Aufenthaltsrecht als Druckmittel zu nutzen: »Wenn wir Hamas-Anhänger ausweisen können, dann müssen wir das auch tun.«

Abschiebung wird immer öfter als eine Art Allheilmittel für soziale und politische Probleme präsentiert.

Abschiebung wird immer öfter als eine Art Allheilmittel für soziale und politische Probleme präsentiert. Seit Monaten wütet eine völlig irrationale Diskussion, in der mehr Abschiebungen um jeden Preis und immer mehr Repressalien gegen Geflüchtete gefordert werden und die sich dabei von rechtlichen Vorgaben, Machbarkeitsargumenten oder Fragen nach der Sinnhaftigkeit nicht irritieren lässt.

Hamas-Anhänger:innen vermehrt abzuschieben, wird jedenfalls nicht so einfach möglich sein. In vielen dieser Fälle dürften in den Herkunftsländern drohende Menschenrechtsverletzungen ein Abschiebungshindernis sein, und bei deutschen Sympathi­sant:innen der Terrormiliz ist eine Abschiebung ohnehin ausgeschlossen.

Ohnehin ist Antisemitismus keineswegs nur ein Pro­blem von Migrant:innen. Zudem stellt sich die Frage, ab wann eine Person als Anhänger der Hamas gelten kann – bloße Sympathiebekundungen dürften hierfür kaum ausreichen. Die Ankündigung der Innenministerin ist also, abgesehen von Einzelfällen, lediglich populistische Symbolpolitik.

Ein wirksames Vorgehen gegen Antisemitismus sähe anders aus und würde sich nicht bloß auf Repression verlassen. Doch der Bundeshaushalt für 2024 sieht unter anderem eine Kürzung der Mittel für politische Bildung vor, die der Bundesausschuss politische Bildung, in dem sich verschiedene Träger zusammengeschlossen haben, auf bis zu 25 Prozent beziffert. Auch bei der Beratung und Betreuung von Flüchtlingen sind umfassende Kürzungen vorgesehen.

Menschenrechte scheinen da nur ein lästiges Hindernis zu sein. Doch auch wer Abscheuliches sagt oder schwere Verbrechen begeht, darf von einem demokratischen Rechtsstaat nicht abgeschoben werden, wenn die Betroffenen damit der Verfolgung, der Folter oder dem Tod preisgegeben werden – sonst delegitimiert dieser Staat sich selbst. Je mehr die Debatten über Flucht und Migration verrohen, desto weiter gerät diese demokratische Selbstverständlichkeit anscheinend in Vergessenheit.