Das Weihnachtsgeld ist eine von den Gewerkschaften erkämpfte Leistung

Alle Jahre wieder – nicht für alle

Dass Beschäftigte einen Anspruch auf Weihnachtsgeld geltend machen können, haben wir den Gewerkschaften zu verdanken.
Kolumne »Schicht im Schacht« Von

Haben Sie heute schon Ihre Privilegien gecheckt? Männlich, weiß, heterosexuell, Akademiker als Eltern? Privilegien werden einem meist in die Wiege gelegt. Erfolg hingegen gilt als Folge individueller Leistungen.

Doch es gibt auch sogenannte Privilegien, die genießt man scheinbar zufällig. Zum Beispiel: Weihnachtsgeld! Als ich zum ersten Mal Weihnachtsgeld überwiesen bekam, hielt ich es für ein Versehen. Kleinlaut beichtete ich meiner Vorgesetzten den Überweisungsfehler. Sie sah mich fassungslos an und fing schallend an zu lachen. Natürlich weiß ich eigentlich, dass es Sonderzahlungen geben kann. Aber ich hatte das, was Festangestellten und Tarifgebundenen zusteht, in den vergangenen 20 prekären Jahren aus den Augen verloren.

Selbst in Zeiten meiner prekärer Beschäftigung aber gab es zu Weihnachten wenigstens eine milde Gabe und ein hartes Besäufnis mit den Kolleg:innen. Diese Tradition der milden Gabe geht bis ins 19. Jahrhundert zurück.

Weil das Weihnachtsgeld kein Privileg für einige wenige sein sollte, haben die Gewerkschaften über die Jahre für seine tarifvertragliche Absicherung gekämpft.

Dass Beschäftigte aber einen Anspruch auf Weihnachtsgeld geltend machen können, haben wir den Gewerkschaften zu verdanken. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV, im Jahr 2001 Gründungsmitglied von Verdi) setzte 1950 »zur Abwendung des bei den Bediensteten (…) durch die im Jahre 1950 eingetretene Teuerung hervorgerufenen Notstandes und in Anerkennung der geleisteten Überarbeit« eine einmalige Zahlung in Höhe von 100 Mark zu Weihnachten im öffentlichen Dienst durch. Auch in der DDR gab es seit Anfang der fünfziger Jahre die Zahlung. Dort hieß sie »Jahresendprämie«.

Weil das Weihnachtsgeld aber kein Privileg für einige wenige sein sollte, haben die Gewerkschaften über die Jahre für seine tarifvertragliche Absicherung gekämpft. Gesetzlich geregelt ist der Anspruch auf Weihnachtsgeld hingegen nicht. Er kann sich nur aus einen Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, dem Arbeitsvertrag, aus dem Gewohnheitsrecht der sogenannten betrieblichen Übung oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Dieser warme Geldregen kommt in Deutschland laut Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichem Institut (WSI) auf rund 53 Prozent aller Arbeitneh­mer:innen hernieder. Und jetzt die große Überraschung: Frauen und Menschen in Ostdeutschland bekommen seltener Weihnachtsgeld! So zufällig sind auch diese sogenannten Privilegien dann doch nicht verteilt.