Sollte die extrem rechte »Alternative für Deutschand« als Partei verboten werden?

Pro und Contra AfD-Verbot

Nach dem Geheimtreffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremen, bei dem über »Remigration« diskutiert wurde, verschärft sich die Debatte über ein Verbot der AfD. Derzeit legt die Partei in Wahlumfragen in allen Bundesländern deutlich zu. In Sachsen kommt sie auf 37 Prozent, bundesweit hat sie mit etwa 22 Prozent ihren Stimmenanteil seit der Wahl 2021 mehr als verdoppelt. Fast eine halbe Millionen Menschen unterschrieben die an den Bundesrat gerichtete Online-Petition »Prüft ein AfD-Verbot«. Jedoch hat ein solches Verbotsverfahren in der Politik wenig Rückhalt. Sebastian Weiermann und Thorsten Mense diskutieren das Für und Wider eines AfD-Verbots.

Ohne Verbot wird’s eng

Wenn die AfD nicht bald verboten wird, droht sich in Teilen Deutschlands eine rassistische Diktatur zu etablieren. Deswegen ist es Zeit, das Grundgesetz zu verteidigen.

Von Sebastian Weiermann

Es ist mehr als unangenehm, ein AfD-Verbot zu fordern. Verbotsforderungen, wer denkt da nicht an die Stalinisten von der MLPD mit ihren Plakaten für ein Verbot »aller faschistischer Organisationen« oder an Unterschriftensammelvereine wie Campact. Schöner, als ein Verbot zu fordern, wäre es doch, auf eine Antifa verweisen zu können, die dafür sorgt, dass es im Bahnhofskiosk keine Nazi-Zeitungen gibt, dass der Handwerker, der dem AfD-Kreisvorstand angehört, keine Aufträge bekommt und dass AfD-Parteitage, wenn sie überhaupt stattfinden können, zumindest zum Spießrutenlauf für die Delegierten werden; dazu eine stabile bürgerliche Linke, die Nazis und Rassisten ausgrenzt. Dann müsste man sich nicht mit einem Parteienverbot beschäftigen, wie es die MLPD und Campact fordern.

Die Proteste gegen die AfD verlaufen umgekehrt proportional zu den Erfolgen der Partei. Große Blockaden und Demonstrationen sind immer seltener geworden.

Leider ist es nicht so. Die Proteste gegen die AfD verlaufen umgekehrt proportional zu den Erfolgen der Partei. Große Blockaden und Demonstrationen sind immer seltener geworden. Die Kampagne »Nationalismus ist keine Alternative«, die sich aus der radikalen Linken gegen die AfD richtete, ist völlig eingeschlafen. Das gewerkschaftsnahe Bündnis »Aufstehen gegen Rassismus« bildet weiterhin Stamm­tisch­kämpfer:innen gegen rechts aus, hat allerdings keinerlei Strahlkraft.

Aus der bürgerlichen Linken kommt auch nicht viel. Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken sprach sich jüngst für die Prüfung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD aus. Viele Politiker nennen die AfD unerträglich und behaupten, Rassismus abzulehnen. Als Bundeskanzler auf dem Spiegel-Cover Abschiebungen in »großem Stil« anzukündigen oder als Grüne die rassistischen Reformen des EU-Asylsystems zu unterstützen, zeigt, wie viel die antirassistischen Allgemeinplätze wirklich wert sind.

In Brandenburg, Thüringen und Sachsen stehen dieses Jahr Landtagswahlen bevor; in allen drei Bundesländern könnte die AfD stärkste Kraft werden. In Thüringen könnte Björn Höcke selbst ohne Mehrheit im Parlament Ministerpräsident werden. Dieser Umstand verdankt sich einer unklaren Formulierung in der Landesverfassung: Sollte in zwei Wahlgängen kein Kandidat die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich bringen, genügt es, im dritten und letzten Wahlgang »die meisten Stimmen« von allen Kandidaten auf sich zu vereinigen, um Ministerpräsident zu werden.

Wenn Höcke gar eine Regierung bilden könnte, die sich auf eine absolute Mehrheit im Landtag stützt, wären die Folgen kaum auszumalen. Extrem rechte Kader würden Posten an Schaltstellen im Staatsapparat bekommen, demokratische Rechte abgebaut und rassistische Sondergesetze eingeführt, soweit sie in die Kompetenz eines Bundeslandes fallen. Und selbst wenn Bundesgerichte einiges davon kassieren sollten, ist es immer noch zweifelhaft, dass die Bundesregierung mit allen, auch den äußersten Mitteln solche Urteile durchsetzen würde.

Nun gibt es in diesem Land noch das Grundgesetz und trotz aller traurigen Reformen ist es wertvoll. Das Grundgesetz beinhaltet auch die Möglichkeit des Parteienverbots. Versucht wurde ein Verbot zuletzt bei der NPD, zwei Mal sogar. 2017 urteilte das Bundesverfassungsgericht gegen ein Verbot. Nicht weil die NPD keine verfassungsfeindlichen Ziele hätte, sondern weil sie nicht genug Potential besäße, um eine ernsthafte Gefahr darzustellen.

Ein Verbot würde die bestehenden Strukturen der AfD zerschlagen und die Partei daran hindern, sich in staatlichen Institutionen festzusetzen.

Der AfD mangelt es an diesem Potential nicht. Sie ist eine Gefahr für die Demokratie und inhaltlich steht sie der NPD in kaum etwas nach. Auch für eine aktiv kämpferische Haltung gegen die bestehende Ordnung finden sich bei der AfD zahlreiche Belege. Wie ein Verbotsverfahren gegen die AfD ausgehen würde, bleibt fraglich. Möglicherweise würden nur einzelne Landesverbände verboten.

Nun wird ein wie auch immer geartetes AfD-Verbot wenig an der immer autoritärer und nationalistischer werdenden Stimmung in der Gesellschaft ändern. Ein Maulkorb für Björn Höcke oder den rassistischen Onkel beim Weihnachtsessen wäre es nicht. Aber ein Verbot würde die bestehenden Strukturen der AfD zerschlagen und die Partei daran hindern, sich in staatlichen Institutionen festzusetzen. Das ist viel wert, gerade in Regionen, in denen die AfD stark ist. Ist erst mal ein AfD-Kader Innenminister, dann sind Grund- und Freiheitsrechte in Gefahr.

Für radikale Linke sind diese Rechte aber unverzichtbar, um sich legal organisieren und aktiv werden zu können – völlig egal ob in der Tierrechts-Vokü oder bei Demonstrationen für faire Mieten. Es wird also Zeit, das Grundgesetz zu verteidigen und sich für ein AfD-Verbot einzusetzen. In Münster, Köln oder Frankfurt mit einer teils marginalen AfD mag sich das komisch und nach Campact und MLPD anfühlen. In anderen Gegenden ist es aber eine Notwendigkeit, um sich überhaupt weiter artikulieren zu können, und diese Orte gilt es nicht aufzugeben.

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Der unaufhaltsame Aufstieg des Björn Höcke

Der unaufhaltsame Aufstieg des Björn Höcke? Der Thüringer AfD-Ministerpräsident in spe vor knapp neun Jahren bei einem Landesparteitag in Arnstadt

Bild:
picture alliance / dpa | Michael Reichel

Antifa statt Verbote

Der Faschismus kann zwar durch Wahlen an die Macht gelangen, man wird ihn aber nicht durch ein Parteienverbot verhindern können.

Von Thorsten Mense

Neulich wurde in Leipzig, initiiert vom Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention, über ein Verbot der AfD diskutiert. Eine Podiumsteilnehmerin forderte eine antifaschistische Kampagne für ein Parteiverbot und ließ sich zu der Aussage hinreißen, wer nicht für ein Verbot sei, müsse sich eventuell in ein paar Jahren die Frage stellen, ob man die erneuten sechs Millionen Toten nicht hätte verhindern können. »Antifa heißt Parteienverbot«, und wer nicht für ein solches sei, öffne dem Faschismus die Tür.

Auf diesem Stand scheint die Debatte mancherorts schon angelangt zu sein. Das Problem ist nicht die Verbotsforderung an sich. Es gibt durchaus pragmatische Gründe, die für ein solches sprechen. So könnte man dadurch der seit Ende des Nationalsozialismus größten rechtsextremen Partei in Deutschland Gelder abziehen, ihr die politische Arbeit erschweren und vorerst verhindern, dass sie irgendwo Regierungsmacht erlangt.

Das Problem, wie die Debatte geführt wird, besteht in ihrer ideologischen Schlagseite. Wenn derzeit für ein Verbot der AfD argumentiert wird, klingen auch extremismustheoretische Töne mit an. Die sogenannte Mitte inszeniert sich selbst als demokratisch, ungeachtet ihrer eigenen autoritären und antidemokratischen Einstellungen.

Zugleich sollte man sich von einem AfD-Verbot nicht zu viel versprechen. Zum einen würde es nichts an den rechten Einstellungen und dem faschistischen Potential in der Gesellschaft ändern, das sich dann eben woanders politischen Ausdruck verschafft. Zum anderen war auch die NSDAP mal zwei Jahre, von 1923 bis 1925, verboten, bevor sie dann mit etwas Verspätung an die Macht kommen konnte. Parteienverbote haben nur solange Bestand wie die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen sie erlassen wurden.

Das Problem, wie die Debatte geführt wird, besteht aber vor allem in ihrer ideologischen Schlagseite. Wenn derzeit für ein Verbot der AfD argumentiert wird, klingen nicht selten auch extremismustheoretische Töne mit an. Die sogenannte Mitte inszeniert sich selbst als demokratisch, ungeachtet ihrer eigenen autoritären und antidemokratischen Einstellungen. Bei vielen Beiträgen entsteht der Eindruck, die AfD sei die größte oder gar einzige Bedrohung für die Demokratie, die es um jeden Preis abzuwehren gelte. Was hierbei hinten runterfällt, ist, dass der Rechtsruck ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und schon längst und auch abseits der AfD in vollem Gange ist.

Die deutschen Verhältnisse stellen zum Beispiel für Migrant:innen nicht erst eine Gefahr dar, wenn die AfD an der Regierung beteiligt ist. Im vergangenen Jahr gab es fünf Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte pro Tag in Deutschland, Tendenz steigend. Der Rechtsruck zeichnet sich nicht primär dadurch aus, dass die AfD immer mehr Stimmen bekommt, sondern vor allem dadurch, dass sich die Gesellschaft als ganze verändert. Die gesellschaftlichen Koordinaten verschieben sich, Konzepte und Inhalte, die zuvor nur von Rechtsradikalen vertreten wurden, wandern in den Mainstream und ganz grundlegende demokratische Prinzipien werden in Frage gestellt.

Und das längst nicht nur von Fa­sch­ist:in­­nen. Das wohl eindrücklichste Beispiel hierfür sind die Verschärfungen des Asylrechts und die Brutalisierung des europäischen Grenzregimes. Vieles, was sich noch vor wenigen Jahren nur die AfD traute zu fordern, ist nun Regierungslinie und wird von Grünen und Sozialdemokrat:innen verwirklicht.

Hinsichtlich der anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland wird das ebenfalls deutlich: Die sächsische CDU kann es in Rhetorik und politischen Inhalten längst mit so manchem westdeutschen AfD-Kreisverband aufnehmen. Wer mit jenen eine »demokratische Volksfront« gegen die AfD aufbauen möchte, macht sich zum ungewollten Gehilfen der autoritären Wende.

Die Verbotsforderung ist vor allem ein Ausdruck der Ohnmacht angesichts des Aufstiegs des Faschismus.

Die Forderung nach einem Parteiverbot baut wie die Extremismustheorie auf dem bürgerlichen Mythos der demokratischen Mitte auf. Was im Übrigen auch bei einem Scheitern des Verbotsverfahrens zu einem Problem werden würde: Die AfD hätte dann die rechtsstaatliche Bestätigung, dass ihre rechtsextreme Programmatik eine legitime Position im demokratischen Aushandlungsprozess und somit auszuhalten sei – was ihr zusätzlich Legitimation verschaffen und antifaschistische Gegenstrategien erschweren würde.

Die Verbotsforderung ist vor allem ein Ausdruck der Ohnmacht angesichts des Aufstiegs des Faschismus. Nun ergibt der alte Slogan »Antifa statt Verbote« tatsächlich nur Sinn, wenn es eine antifaschistische Bewegung gibt, die stark genug wäre, die faschistischen Bewegungen in ernsthafte Bedrängnis zu bringen. Danach sieht es derzeit nicht unbedingt aus.

Und die Gefahr geht eben nicht nur von der AfD aus, sondern der Aufstieg der Partei ist Ausdruck einer umfassenderen gesellschaftlichen Entwicklung. Hier müsste eine antifaschistische Kampagne ansetzen. Ein Parteiverbot wird dieser Entwicklung nichts entgegensetzen können und dient mehr der bürgerlichen Selbstberuhigung. Der Faschismus kann zwar durch Wahlen an die Macht gelangen, man wird ihn aber nicht an der Wahlurne verhindern können.